Nach dem mutmasslichen Chemiewaffenangriff durch Assad ist im UNO-Sicherheit auch nach ungewöhnlich scharfen Worten eine Resolution vorerst ausgeblieben. Bleibt es einmal mehr beim verbalen Schlagabtausch? Einschätzungen von Auslandredaktor Philipp Scholkmann.
SRF News: War es einmal mehr nur traurige Routine, was sich im Sicherheitsrat abspielte?
Philipp Scholkmann: Die Sitzung war nur insofern traurige Routine, als einmal mehr die ganze Blockade offensichtlich wurde. Es ist erneut das Versagen der Weltgemeinschaft, sich zusammenzuraufen und nach sieben Jahren Krieg zu einem Ende zu kommen – und zwar am Verhandlungstisch und nicht auf dem Schlachtfeld. Das wäre möglich, wenn es dafür einen Willen gäbe. Aber das Gegenteil ist anscheinend der Fall. Man spricht jetzt einmal mehr von «roten Linien», und die Wortmeldungen waren ungewöhnlich gehässig. In dieser Hinsicht war die Sitzung etwas ganz anderes als Routine.
Deutliche Worte zu Syrien sind bei der UNO nicht neu. Ist trotzdem ein Stimmungswechsel spürbar?
Schon über das Wochenende hat sich das aufgebaut: US-Präsident Trump beschimpfte Assad als «Tier» und drohte, er werde einen hohen Preis bezahlen für den mutmasslichen Chemiewaffenangriff in Ost-Ghuta. Seine UNO-Botschafterin schlug mit dem Monster-Vergleich für Assad in die gleiche Kerbe und bezichtigte zugleich Russland, Blut an den Händen zu haben. Ohne freilich Beweise vorzulegen über diese schrecklichen Berichte und Bilder hinaus, die aus Syrien und von der syrischen Opposition stammen. Russland legte nahe, die Berichte könnten eine bewusste Irreführung sein und gefälscht, um eine Eskalation gezielt herbeizuführen. Das alles geht über das Übliche hinaus und plötzlich ist die Sorge spürbar, dass die verschiedenen Mächte nicht mehr nur in Syrien via ihre Stellvertreter ihre regionalstrategischen Interessenkonflikte austragen, sondern dort auch in der einen oder anderen Form direkt aufeinanderprallen könnten. Syrien-Vermittler Staffan de Mistura sagte an der Sitzung ausdrücklich, zum ersten Mal überhaupt warne er davor, dass es nicht mehr um Syrien gehe, sondern dass sich hier etwas hochschaukeln könnte, das die internationale Sicherheit insgesamt betreffe. Das hat schon eine neue Dringlichkeit aus dem Mund des Syrien-Vermittlers.
Teilen Sie die Einschätzung von de Mistura, dass die Lage eskalieren könnte?
Es ist auf jeden Fall zuerst einmal eine Warnung. Es ist auch eine Form der Rhetorik, dramatisch zu warnen, damit die Leute ihre Haltung noch ändern. Aber die Ausgangslage ist sicher in dem Sinn explosiv, als dass sich auf diesem Terrain doch einiges Eskalationspotenzial befindet.
Die USA und haben schnelle Reaktionen versprochen, falls sich die Vorwürfe bestätigen. Wie könnten sie aussehen?
Das ist völlig offen. Es gibt den Präzedenzfall vom vergangenen Jahr nach einem anderen mörderischen Giftgasangriff in der syrischen Stadt Chan Schaichun. Trump reagierte damals mit ganzen Salven von Tomahawk-Marschflugkörpern auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt. Das sollte Assad beeindrucken, was es aber nicht tat. Ob Trump was Ähnliches plant, kann man nicht sagen. Er werde mit Stärke reagieren, sagte er. Man weiss, dass sich dieser Präsident gerne prägnant äussert, die Folgen sind abzuwarten. Auch die Franzosen haben nochmals betont, es werde eine Reaktion geben, wenn sich die Berichte bestätigten. Präsident Macron gab dies als rote Linie vor. Der französische Vertreter im Sicherheitsrat klang aber so, als habe er wenig Zweifel am Giftgaseinsatz. Diese schärfere Rhetorik kann ihre eigene, ganz gefährliche Dynamik entfalten.
Das Gespräch führte Hans Ineichen.