Den Anfang machte Brasilien. Bereits in den ersten Stunden, seit das UNO-Atombombenverbot in New York aufliegt, haben es rund fünfzig Staaten unterschrieben. Am Ende dürften es mehr als 120 sein, also eine klare Mehrheit der Uno-Mitgliedländer. Das Problem allerdings: keine einzige Atommacht ist dabei. Von deren Seite wird das Verbotsabkommen als «reines Wunschdenken» oder gar als «schädlich» bezeichnet und lächerlich gemacht.
Gewiss macht sich niemand Illusionen, dass dank des neuen Abkommens Nuklearwaffen schon bald aus den Kriegsarsenalen verschwinden. Die beiden mit Abstand grössten Atommächte, Russland und die USA, investieren gar kräftig in die Modernisierung ihrer Nuklearstreitkräfte, machen sie noch potenter als bisher.
Die amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley sagt scheinheilig: Man würde ja liebend gerne auf die Atombomben verzichten. Doch ohne sie könne man die eigene Bevölkerung nicht schützen. Es bringe ja nichts, wenn die «Guten», darunter die USA, die Nuklearwaffen abschafften, während die «Bösen» an ihnen festhielten.
Sämtliche Atommächte boykottierten bereits die Verhandlungen über das Abkommen. Sie berufen sich darauf, dass es ja seit fast einem halben Jahrhundert den Atomwaffensperrvertrag gebe.
Diesen haben die fünf ursprünglichen Atommächte USA, Russland, China, Grossbritannien und Frankreich unterzeichnet. Bloss: Dessen zentrale Forderung, zwar nicht sofort, jedoch zügig die Atomarsenale zu liquidieren, missachten sie seit Jahrzehnten sträflich. Die übrigen Atommächte Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea haben sich ihre Atombomben gar unter Missachtung des Atomsperrvertrags beschafft.
Grosser Rückhalt in vielen Ländern
Das UNO-Atombombenverbot geniesst grossen Rückhalt in Lateinamerika, in Afrika und Teilen Asiens. Dafür gekämpft haben ausserdem viele Nichtregierungsorganisationen. Darunter nicht zuletzt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Zumal die Genfer Konventionen verlangen, dass beim Einsatz von Waffen unterschieden werden muss zwischen Kämpfern und Zivilisten. Werden Atombomben eingesetzt, ist das offenkundig völlig unmöglich.
Neben den Atommächten lehnen auch sämtliche Nato-Mitglieder das UNO-Atomwaffenverbot ab, obschon in den meisten Ländern die Bevölkerung dieses begrüsst. Doch die Nato definiert sich als «nukleare Allianz», weshalb die Regierungen der Nato-Staaten gegen das Verbot sind.
Auch die Schweiz will es, zumindest vorläufig, nicht unterzeichnen. Erstens fürchtet sie, wie Aussenminister Didier Burkhalter erklärt, dass das neue Abkommen das alte Atomtestverbot schwäche. Zweitens findet sie, man hätte sich mehr bemühen müssen, auch die Atommächte an Bord zu holen, bevor man das jetzige Atombombenverbot aushandelte. Und drittens gibt es die taktische Überlegung, dass die Schweiz als Vermittlerin im Streit um Atombomben auftreten kann – sofern sie eine neutrale Haltung einnimmt, also den neuen Uno-Vertrag nicht gegen den Willen der Atommächte unterzeichnet.
Ein starkes moralisches Signal
Fragt sich, was ein Abkommen bringt, dem just die Hauptbetroffenen den Rücken kehren. Zunächst ist es – und so sieht es auch Uno-Generalsekretär Antonio Guterres – ein starkes moralisches Signal. Und die Atombombengegner finden, es sei absolut unzeitgemäss, ja richtiggehend empörend, dass Atombomben noch heute gänzlich legal seien. Dem ist wenig entgegenzusetzen.
Und völlig ausgeschlossen ist nicht, dass das Atomverbot irgendwann doch Wirkung entfaltet. Auch beim Verbot von Chemiewaffen oder von Landminen höhnten manche zunächst, das bringe nichts. Tatsächlich aber sind diese Waffengattungen heute geächtet. Sie sind zwar noch nicht gänzlich verschwunden, doch die Arsenale wurden massiv reduziert, vielerorts abgeschafft. Diese Waffen werden nurmehr vereinzelt von Unrechtsregimen eingesetzt. Internationale Abkommen haben hier also durchaus etwas bewirkt.
Im Nuklearbereich, da sind sich alle einig, wird das weitaus schwieriger. Umso mehr als Atombomben immer noch für Macht und Prestige stehen. Es wird gewiss nicht bloss Jahre, sondern Jahrzehnte, viele Jahrzehnte dauern, bis sich etwas zum Besseren verändert.