Der bereits fünfjährige Konflikt zwischen Russland und der Ukraine flaut nicht ab. Er verschärft sich vielmehr: Von der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim über den offenen und blutigen Krieg in der Ostukraine bis nun zur Auseinandersetzung im Asowschen Meer, das zwischen Russland und der Ukraine liegt.
Dort hat Russland Ende 2018 ukrainische Schiffe zunächst beschossen, später beschlagnahmt sowie 24 ukrainische Matrosen festgenommen. Offenkundig wollte der Kreml damit ein Zeichen setzen. Und zwar dieses: Das Asowsche Meer, ein Nebengewässer des Schwarzen Meeres, gehört uns. Hier bestimmen wir. Tatsächlich hat aber auch die Ukraine einen Anteil an diesem Meeresgebiet.
Ehre und Boykott
In der aktuellen Auseinandersetzung entschied der Uno-Seegerichtshof nun gleich zweifach gegen Russland. Das Urteil kommt nicht aus heiterem Himmel. Was sich bereits daran zeigt, wie unterschiedlich die beiden Konfliktparteien vor dem Gericht auftraten. Es sei ihr eine Ehre, vor dem Gericht zu erscheinen, sagte die ukrainische Vize-Aussenministerin Olena Zerkal, welche die Klägerseite vertrat.
Die russische Seite hingegen boykottierte die Urteilsverkündung, genauso wie zuvor die Anhörungen. Das Uno-Gericht mit Sitz in Hamburg sei gar nicht zuständig für den Fall der beschlagnahmten ukrainischen Schiffe und festgenommenen Seeleute, teilte Russland per Brief mit.
19 Stimmen zu einer Stimme
Das jedoch sehen die Uno-Richter gänzlich anders. Selbst wenn die beklagte Partei, also Russland, die Teilnahme am Verfahren verweigere, müsse es geführt werden und in ein Urteil münden, erklärte Gerichtspräsident Jin-Hyan Park aus Südkorea.
Auch in der Sache selber gaben die Richter der Ukraine recht – mit 19 zu einer Stimme – jener des russischen Richters. Sofort müsse Russland die vor einem halben Jahr beschlagnahmten drei Schiffe und die zwei Dutzend verhafteten Seeleute freigeben. Die Beschlagnahmung von Kriegsschiffen sei eine schwere Verletzung von deren Immunität und damit der Souveränität des Landes, dem sie gehören, argumentierte der Gerichtspräsident.
Kein Grundsatzentscheid
Im Fall der Matrosen erwähnt das oberste Seegericht zudem humanitäre Motive. Ihre Haftbedingungen sind schlimm; es drohen ihnen in Russland mehrere Jahre Arbeitslager.
Trotz der deutlichen Worte des Gerichts ist offen, ob Russland dem Urteil nachkommt. Obschon es Vertragspartner des Uno-Seerechtsabkommens Unclos von 1982 ist, und dieses – etwa in der Arktis – zur Durchsetzung eigener Territorialansprüche nützen will.
Die Uno-Richter erkennen also im Konflikt im Asowschen Meer eine russische Verletzung des Seerechtsabkommens. Hingegen äussern sie sich nicht grundsätzlich zum Territorialstreit, zu umstrittenen Grenzziehungen und zum Recht auf freie Durchfahrt durch die strategisch wichtige Meerenge von Kertsch.
Mit diesen Fragen soll sich ein internationales Schiedsgericht in Den Haag befassen. Doch das dauert noch.