Sollen Universitäten bei der Auswahl ihrer Studentinnen und Studenten die Hautfarbe mit berücksichtigen dürfen? Darüber entscheidet das höchste Gericht der USA, der Supreme Court.
Konkret geht es insbesondere um Fördermassnahmen für afroamerikanische Studentinnen und Studenten, die sogenannte «Affirmative Action». Die Gegner argumentieren, diese Fördermassnahmen würden im Gegenzug weisse und asiatischstämmige Jugendliche diskriminieren. Es ist gut möglich, dass die konservative Mehrheit am Supreme Court die Berücksichtigung der ethnischen Herkunft (oder «race», wie es in den USA oft genannt wird) verbietet.
Julia Clark kämpft für Fördermassnahmen für Schwarze. Denn diese seien in den USA nach wie vor benachteiligt. «Wenn wir die Fördermassnahmen abschaffen, zementieren wir die Ungleichheit.»
Schwarze Kinder wachsen häufiger in einkommensschwachen Quartieren auf. «Schulen, die mehrheitlich von Schwarzen besucht werden, sind schlechter ausgerüstet und unterfinanziert. Oft bieten sie nicht dieselben Angebote wie in weissen Quartieren», argumentiert die Präsidentin des «Black Student Movement» an der Universität von North Carolina, Chapel Hill. Die Benachteiligung beginne oft schon in der Primarschule und ziehe sich durch bis in die Oberstufe. Zudem würden Schwarze Kinder oft nicht vorurteilsfrei benotet, sagt Clark. In den USA beeinflusse die Hautfarbe das ganze Leben.
Schwarze an Top-Universitäten untervertreten
Fördermassnahmen an der Uni seien deshalb nach wie vor nötig, sagt Julia Clark. Obwohl Schwarze 22 Prozent der Bevölkerung von North Carolina ausmachen, machen sie an der grössten staatlichen Universität nur gut 8 Prozent aus. «Das heisst, obwohl die Hautfarbe bei der Zulassung berücksichtigt wird, bleibt immer noch eine Ungleichheit.»
Jacob James widerspricht: Hautfarbe dürfe kein Kriterium sein bei der Zulassung zu einer Universität. «Warum sollen wir Leute ausschliessen wegen ihrer Hautfarbe, und andere bevorzugen wegen ihrer Hautfarbe? Darum kämpften wir in der Bürgerrechtsbewegung. Und nun entwickeln wir uns rückwärts in die umgekehrte Richtung.» James ist der Präsident der Republikaner-Studierendenvereinigung an der Universität von North Carolina. Er ist weiss. Er findet, um die rassistische Diskriminierung zu überwinden, dürfe man nicht erneut wegen der ethnischen Herkunft diskriminieren, sprich, im Gegenzug weisse und asiatischstämmige Jugendliche benachteiligen.
Die Hochschule ist die älteste staatliche Universität der USA – und eine der begehrtesten. Bei der Auswahl ihrer Studierenden berücksichtigt die Universität Noten, aber auch mehrere andere Faktoren, darunter auch die Hautfarbe. Das erlaubt der Universität im Prinzip, einem Schwarzen Jugendlichen den Vorzug zu geben gegenüber einem anderen mit höheren Noten. Das Ziel der Universität ist, eine ethnische Vielfalt in der Studentenschaft zu erreichen.
Doch die Fördermassnahmen für mehr ethnische Vielfalt gingen auf Kosten von leistungsbereiten Jugendlichen, die nicht Schwarz seien, sagen Kritiker.
Warum sollen wir Leute ausschliessen wegen ihrer Hautfarbe, und andere bevorzugen wegen ihrer Hautfarbe?
Insbesondere auf Kosten einer anderen Minderheit: Überdurchschnittlich viele asiatischstämmige Bewerberinnen und Bewerber können einen herausragenden Leistungsausweis vorweisen.
Calvin Yang unterstützt die Klage vor dem Supreme Court. Er wurde an seiner Traum-Universität Harvard abgelehnt. Obwohl er viel vorzuweisen hatte: absolute Topnoten, Spitzensportler, Startup-Gründer, Mitorganisator des grössten Klimaprotests der USA.
Versteckte Quoten gegen Jugendliche asiatischer Abstammung?
«Meine ethnische Herkunft ist ein Faktor, weswegen ich nicht angenommen wurde in Harvard. Denn sie sagten, sie hätten bereits einen zu hohen Anteil an asiatischstämmigen Studierenden. Deshalb vermute ich, dass sie eine Art Quote gegen Asiaten haben», ist Calvin Yang überzeugt. Dabei habe es die asiatische Minderheit in der amerikanischen Gesellschaft auch nicht einfach.
Yang räumt ein, dass immer etwas Zufall dabei sei, denn Harvard bekommt tausende Bewerbungen von herausragenden Schülerinnen und Schülern. Und doch seien asiatischstämmige Bewerber faktisch noch höheren Anforderungen ausgesetzt.
«Das finde ich nicht fair. Denn Asiaten werden nicht gescheiter geboren. Sondern wir opfern viel von unserer Freizeit. Statt Sport zu treiben, mit Freunden abzuhängen, was Teenager halt so tun, bereiten wir uns auf Prüfungen vor.» Nun würden sie durch die Fördermassnahmen für Schwarze bestraft.
Einkommen statt Hautfarbe berücksichtigen?
Vielfalt an Universitäten ist wichtig, darin sind sich die drei einig. Doch wie kann man sie erreichen? James und Yang haben ähnliche Lösungen parat. «Man kann etwa jenen Jugendlichen, die aus einkommensschwachen Regionen kommen, einen Vorteil geben.»
Es ist wichtig, dass es Schwarze Führungspersonen im Land gibt, nachdem wir lange ausgeschlossen waren.
Doch das allein könne die tief verankerte Benachteiligung von Schwarzen nicht wettmachen, sagt Julia Clark. Sie studiert in Gebäuden, die von Sklaven gebaut wurden, deren Türen für Schwarze Studierende lange verschlossen waren. «Es ist wichtig, dass es Schwarze Führungspersonen im Land gibt, nachdem wir lange ausgeschlossen waren. Wir werden nach wie vor benachteiligt, kämpfen dafür, dass sich Türen öffnen, doch dann sind schon alle Plätze am Tisch besetzt.»
Bis heute müsse sie sich immer wieder rechtfertigen, dass sie es verdiene, hier zu sein. In ihrer Freizeit gibt sie Schwarzen Kindern aus unterprivilegierten Quartieren Nachhilfeunterricht, damit sie bessere Chancen auf eine erfolgreiche Karriere haben.
In den USA ist der Wettbewerb um eine gute Ausbildung und einen guten Job gross. Entsprechend existentiell ist die Diskussion um faire Chancen. Sind Fördermassnahmen wichtig, um eine rassistische Geschichte auszugleichen – oder unfair gegenüber leistungsbereiten Jugendlichen? Oder vielleicht auch beides? Es ist ein Dilemma, das Amerika im Kern trifft.
Calvin Yang studiert inzwischen an einer anderen Top-Universität, an der University of California in Berkeley. Dort wird die ethnische Herkunft bei der Auswahl der Studierenden nicht berücksichtigt.