SRF News: War das Todesurteil zu erwarten?
Pascal Weber: Wenn man sieht, was für Urteile in den letzten zwei Jahren gegen die Muslimbrüder gesprochen worden waren, war dieses Verdikt zu erwarten, ja. Das Urteil ist aber noch nicht definitiv. Der Grossmufti muss nun ebenfalls noch eine Empfehlung abgeben. Am zweiten Juni kommt dann das endgültige Urteil.
Was bezwecken die Machthaber in Kairo mit dem Urteil?
Steckt wirklich die Regierung dahinter? Es ist sehr schwierig, festzustellen, wie sehr all die Prozesse, von wem und von welcher Seite gesteuert werden. Man weiss auch nicht, ob die Richter unabhängig sind, ob sie politische Ziele haben oder ob sie Eigeninteressen verfolgen.
Waren die Anklagepunkte gegen Mursi gerechtfertigt?
Klar ist, er pflegte mit den palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah eine ganz andere Zusammenarbeit als das Regime vor ihm und jenes nach ihm. Inwiefern er da Landesverrat betrieben haben soll, ist schwer zu sagen. Das Urteil sagt wenig über die Tat selber aus. Vielmehr sagt es etwas aus über die unendliche Angst der Bevölkerung vor den Muslimbrüdern. Für die Ägypter ist das Projekt der Muslimbrüder undurchsichtig. Ein grosser Teil der Bevölkerung erschrak nach der Wahl Mursis sehr ob dem Gebaren der gewählten Bruderschaft.
Welche Bedeutung hat Mursi für die Muslimbrüder heute?
Mursi ist eine wichtige Figur: Es ist nicht so sehr seine Persönlichkeit, die die Muslimbrüder in den Bann zieht, sondern vielmehr seine Geschichte. Für sie ist er der erste frei und fair gewählte Präsident von Ägypten.
Das Gespräch führte Christa Gall.