Am Anfang waren die grossen Tech-Firmen Liberalen und Linken ein Dorn im Auge. Sie seien eigentliche Fake-News-Schleudern und würden mit ihren Algorithmen rechtspopulistische und rechtsextreme Inhalte privilegieren – denn diese sorgen für Aufmerksamkeit, für eine längere Verweildauer und sind damit gut fürs Geschäft.
Kritik hat Seiten gewechselt
Inzwischen haben aber manche Social-Media-Plattformen begonnen, gewisse problematische Inhalte auszusieben. Und Ex-Präsident Donald Trump wurde gar von manchen Plattformen – besonders prominent: von Twitter – gesperrt, nachdem er am 6. Januar 2021 den Sturm auf das Kapitol in Washington unterstützt hatte.
Seither hat die Kritik an den Tech-Firmen die Seiten gewechselt. Auf einmal bemängeln republikanische Politiker, konservative Sichtweisen würden systematisch unterdrückt. Florida und Texas beschlossen inzwischen gar Gesetze, die Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, TikTok und Co. verbieten, die Inhalte zu überwachen und allenfalls zu zensurieren.
Ihr Argument: Die Social-Media-Plattformen seien im Grunde nichts anderes als die Telefongesellschaften des 21. Jahrhunderts. Sie hätten kein Recht, Einfluss zu nehmen auf das, was Bürgerinnen und Bürger in ihre Kanäle einspeisten. Und sie sprechen von Zensur durch das Silicon Valley, wo sie eine generelle Nähe zu linksliberalen Anliegen sehen.
Keine Verpflichtung dem Staat gegenüber
Die Tech-Firmen argumentieren ihrerseits, es dürfe nicht sein, dass sie verpflichtet würden, selbst Inhalte zu verbreiten, in denen rassistische Theorien unterstützt, Terroristen angeworben, der Holocaust geleugnet, Hassreden und Lügen formuliert oder Putin-Propaganda betrieben werde. Sie verlangten eine Klärung durch die Justiz.
Das entsprechende Gesetz in Florida wurde von einer untergeordneten Gerichtsinstanz gekippt, dasjenige aus Texas jetzt sogar vom Obersten Gerichtshof in Washington. Im Kern beriefen sich die obersten Richterinnen und Richter auf den Verfassungszusatz, der das Recht auf freie Meinungsäusserung überaus hochhält und weit umfassender definiert, als dies in den meisten europäischen Ländern der Fall ist.
Dieses Recht, so das Oberste Gericht, beinhalte zugleich, dass Social-Media-Plattformen – genauso wie Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen – selber und frei entscheiden dürften, was sie publizieren wollen und was nicht. Kein Online-Kanal könne vom Staat verpflichtet werden, gewisse Inhalte zu veröffentlichen, aber ebenso wenig, sie zu zensurieren.
Debatte geht weiter
Das Urteil des «Supreme Court» fiel allerdings mit fünf zu vier Stimmen knapp aus. Interessanterweise votierte auch eine liberale Richterin diesmal mit drei konservativen Kollegen, die das texanische Gesetz in Kraft lassen wollten.
Die Debatte, in der mal Linke, mal Rechte den Tech-Firmen Vorschriften machen wollen, geht also weiter. Aber das Oberste Gericht schlägt nun einen Pflock ein. Und zwar zugunsten der Meinungsäusserungs- und Publikationsfreiheit.