Geführt wurde die Internationale Organisation für Migration (IOM) die letzten zehn Jahre von William Lacy Swing, einem nüchternen und angesehenen ehemaligen US-Diplomaten. Es verliessen heute, so Lacy Swing illusionslos, mehr Menschen ihre Heimat als jemals zuvor. Das werde sich in diesem Jahrhundert kaum ändern, sagt Swing. Die Weltgemeinschaft und damit seine Organisation, die IOM, müsse dieser Realität auf eine menschenwürdige Weise Rechnung tragen.
Umstrittene Äusserungen Isaacs
Der IOM-Chefposten war seit den 1960er Jahren immer fest in US-amerikanischer Hand. Lange Zeit galt es als ausgemacht, dass erneut ein Landsmann auf Lacy Swing folgt. Doch dann nominierte Washington Ken Isaacs. Einen Evangelikalen, der über reichlich humanitäre und entwicklungspolitische Erfahrung verfügt und oft in Krisengebieten war.
Doch vor seiner Nomination für den internationalen Spitzenposten äusserte er sich mehrfach in einer Weise, die vielen der rund 170 Mitgliedländer der IOM sauer aufstiess. Etwa wenn er keine Pflicht von Ländern sieht, Einwanderer aufzunehmen. Und vielmehr betont, jeder Staat habe das Recht, seine Zuwanderungspolitik völlig frei zu bestimmen.
Angst von einem Trump-Klon
Isaacs kritisierte mit keinem Wort die jüngst von der US-Regierung verfügte und zuletzt wieder zurückgenommene Trennung von Kindern von ihren Eltern. Empörung lösten auch Tweets von ihm aus, wonach dschihadistische Attentate genau dem entsprächen, was der Koran von Muslimen verlange. Oder wenn er den Klimawandel, eine der Hauptursachen der heutigen Völkerwanderung, als «Witz» abtat.
Auch mehrere hundert Nichtregierungsorganisationen machten Druck, Isaacs nicht zu wählen. Mit ihm würde man sich ausgerechnet an der IOM-Spitze einen Trump-Klon einhandeln. Einen, der ebenfalls Mauern zur Abwehr von Zuwanderern guthiesse. Isaacs bemühte sich zwar in den letzten Monaten, diesen Eindruck zu entkräften. In einem Werbevideo gab er sich als väterlicher Kandidat, der nicht Washington, sondern allen Mitgliedstaaten der IOM verpflichtet wäre.
Aus für Isaacs im ersten Wahlgang
Seine umstrittenen Tweets löschte er und erklärte, Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden oder sarkastisch gemeint gewesen. Nie habe er ernsthaft den Bau einer Mauer entlang der Alpen gefordert.
Das Zurückkrebsen half Isaacs heute nichts. In einer Wahl, die üblicherweise ein Selbstlauf für den US-Kandidaten ist, schied er als erster aus. Gewählt wurde der frühere EU-Kommissar Antonio Vitorino aus Portugal, ein Mann, der Zuwanderung primär als Chance sieht.
Folgt jetzt die Retourkutsche aus den USA?
Die Nichtwahl des Amerikaners Isaacs ist eine Ohrfeige für die Trump-Regierung. Doch die Entscheidung zugunsten von Prinzipien könnte gravierende Konsequenzen haben. Denn ein Drittel des IOM-Haushaltes wird von den USA bestritten. Das Weisse Haus dürfte die US-Beiträge nun massiv kürzen, wie schon beim Palästinenserhilfswerk UNRWA. Oder der IOM ganz den Rücken kehren wie dem Uno-Menschenrechtsrat oder dem UNO-Klimaabkommen.
Es ist unwahrscheinlich, dass andere Länder im nötigen Umfang und rasch das Finanzloch stopfen. Die IOM geht also moralisch gestärkt, aber möglicherweise operationell angeschlagen aus der Kampfwahl hervor. Ausgerechnet jetzt, da sie neue Aufgaben übernehmen soll und die Migrationsproblematik vielerorts als Problem Nummer eins gilt.