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US-Präsident im Kapitol Regiert Trump am Kongress vorbei?

Mit seiner ersten Ansprache vor dem US-Kongress brach Donald Trump gleich einen Rekord: Länger hat noch kein US-Präsident zu den Abgeordneten gesprochen. Doch ansonsten regiert Trump im Eiltempo mit Exekutive Orders am Kongress vorbei. Politologin Julia Simon erklärt, warum es nicht mehr Widerstand gibt.

Julia Simon

Politologin

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Die USA-Expertin ist derzeit Gastprofessorin am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.

SRF News: Warum unternimmt der Kongress nicht mehr?

Julia Simon: Der Kongress nimmt im weitesten Sinne seine Kontrollfunktion als eigenständige legislative Gewalt gegenüber der Exekutive, also gegenüber der Regierung von Präsident Trump, nicht wahr. Trump hat einige Massnahmen bereits vorangetrieben, die in die verfassungsmässigen Kompetenzen des Kongresses eingreifen. Und der Kongress müsste dann eigentlich versuchen, hier die Grenzen aufrechtzuerhalten. Aber die republikanische Mehrheit tut das nicht und hat quasi freiwillig auf die Kompetenzen verzichtet, die qua Verfassung der Institution zugegeben wurden.

Eigentlich ist der Kongress dazu da, den Präsidenten zu kontrollieren.

Das funktioniert im Moment nicht. Auf republikanischer Seite zeigte sich das schon sehr deutlich, als bis auf einen Kandidaten alle Wunschkandidaten von Trump für Kabinettsposten durchgekommen sind. Und das, obwohl zum Teil deutliche Sicherheitsbedenken oder Zweifel am Charakter einiger Kandidaten geäussert wurden.

Es wurden massiv politische und finanzielle Ressourcen eingesetzt.

Während Trumps erster Amtszeit sassen noch einige Trump-Kritiker für die Republikaner im Kongress, wie beispielsweise Liz Cheney oder Adam Kinzinger. Sie stellten sich etwa nach dem Sturm aufs Kapitol gegen Trump und stimmten für ein Impeachment-Verfahren gegen ihn. Das Trump-Lager sorgte mit parteiinternen Gegenkandidaten dafür, dass solche kritischen Stimmen nicht mehr in den Kongress gewählt wurden. Es wurden also massiv politische und finanzielle Ressourcen eingesetzt.               

Stetige Entwicklung

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Die zunehmende Polarisierung in den USA könne man schon seit vielen Jahren beobachten, sagt USA-Expertin Julia Simon. Insbesondere seit den 1990er-Jahren und dann nochmals verstärkt während der Trump-Zeit entwickelten sich die Republikaner weiter und schneller von der politischen Mitte weg. Sie hätten zum Teil sehr konservative politische Positionen eingenommen und jetzt unter Trump würde sich zeigen, dass der Widerstand gegen den Abbau der Rechtsstaatlichkeit sinke. Die Politologin taxiert dies als grosses Problem: «Weil die Grundlage der Verfassung darauf beruht, dass jede Gewalt die andere kontrolliert und ausbalanciert und dass dadurch die Grundfesten der Rechtsstaatlichkeit und der liberalen Demokratie aufrechterhalten werden können.»

Auf der anderen Seite hat man das Gefühl, dass sich die Demokratische Partei fast schon in einer Art Schockstarre befindet, seit Trump wieder Präsident ist. Welche Möglichkeiten hat denn die Opposition?

Innerhalb des Kongresses sind die Möglichkeiten begrenzt, da die Demokraten in beiden Häusern in der Minderheit sind. Man hat auch das Gefühl, dass sich die Partei noch nicht gefunden hat. Bei Trumps Rede hat man gesehen, dass es ganz unterschiedliche Strategien gab, wie man damit umgehen soll: Protestiert man, macht man stillen Protest, geht man vielleicht gar nicht hin zu der Rede. Versucht man tatsächlich stattdessen eher mit den Wählerinnen und Wählern ins Gespräch zu kommen? Was ist die Kommunikationsstrategie? Worauf möchte man sich konzentrieren? Das ist alles noch etwas unklar.

Die Republikaner haben eine bemerkenswerte Begeisterung gezeigt.

Ein Aspekt, der schon so ins Rollen kommt, sind die Gerichtsprozesse, die angestrengt werden, zum Teil mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen oder auf Staatenebene. Aber das ist natürlich ein Prozess, der lange dauern wird.

Wie geht das weiter? Bleibt der Kongress Kulisse?

Aktuell gibt es keine Anzeichen, dass sich das ändert. Die Republikaner haben während Trumps Rede eine wirklich bemerkenswerte Begeisterung und Enthusiasmus gezeigt. Nicht nur für die gesamte Kulturkampfagenda, die Trump aufzeigt, sondern offensichtlich auch dafür, dass er einfach unilateral vorgeht und sein Programm schwerpunktmässig mit Exekutivmassnahmen durchsetzen möchte.

Das Gespräch führte Romana Kayser.

HeuteMorgen, 5.3.25, 6 Uhr ; 

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