Die Afroamerikanerinnen und -amerikaner machen 12.5 Prozent der Wahlberechtigten in den USA aus. Ein entsprechend wichtiger Faktor sind sie bei der Präsidentenwahl in knapp einer Woche. Viele von ihnen seien denn auch motiviert, an der Wahl teilzunehmen, sagt die Expertin Rebecca Brückmann.
SRF News: Wie gross ist der Einfluss der Afroamerikaner bei der Präsidentenwahl in den USA?
Rebecca Brückmann: Rund 30 Millionen Afroamerikaner sind stimmberechtigt. Ein Drittel von ihnen lebt in einem Swingstate wie Florida, Michigan oder North Carolina. Entsprechend wichtig ist es, sie zur Wahl zu mobilisieren – vor allem für die Demokraten, denn die schwarzen Wahlberechtigten stimmen zu über 80 Prozent demokratisch.
Videos und Bilder in den sozialen Medien zeigen, dass die Leute schon jetzt teilweise stundenlang anstehen, um ihre Stimme abzugeben. Haben sie überhaupt so viel Zeit?
Diese Frage ist gerade für die afroamerikanische Community sehr entscheidend. Zunächst: Das Wahlsystem ist in den USA sehr föderal organisiert, also von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich. Insbesondere im Süden der USA wurden die schwarzen Stimmen lange unterdrückt – bis 1965, als die Bundesregierung dies mit dem «Voting Act» verbot.
Manche Bundesstaaten – wie North Carolina – führten vor sieben Jahren wieder Wahlbeschränkungen ein.
Doch vor sieben Jahren hob der Supreme Court Teile dieses Gesetzes auf. In der Folge führten manche Bundesstaaten wieder Wahlrechtseinschränkungen ein – darunter etwa North Carolina. Deshalb gibt es dort jetzt wieder diese langen Warteschlangen vor den Wahllokalen. Die Frage ist nun, ob es den Menschen dort trotzdem gelingt, ihre Stimme abzugeben, wenn sie sich dafür extra einen Tag freinehmen müssen.
Werden Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner in ihrem Stimmrecht also diskriminiert?
Auf jeden Fall. So wurden in North Carolina Schwarze von Wahllisten gestrichen, kleine Fehler bei der Briefwahl führen zum Ausschluss dieser Stimmen und es gab republikanische Kampagnen in den sozialen Medien dahin gehend, dass man den Schwarzen suggerierte, ihre Stimme zähle sowieso nichts.
Welchen Einfluss hat die aktuell heftig geführte Debatte «Black Lives Matter» auf die Wahl-Mobilisierung der Afroamerikaner?
Es sind vor allem drei Themen, welche die schwarzen Wählerinnen und Wähler beschäftigen: Arbeitslosigkeit im Zusammenhang mit der Covid-Krise, die Viruskrise selber – es erkranken und sterben viel mehr Afroamerikaner im Zusammenhang mit dem Virus als Weisse – sowie «Black Lives Matter» und der systematische Rassismus in vielen Bereichen des Lebens. Angesichts dieser Ausgangslage sind viele Schwarze hoch motiviert, tatsächlich wählen zu gehen.
Wie versuchen Biden und Trump, die Afroamerikaner für sich zu gewinnen?
Trump hat gesagt, kein US-Präsident seit Abraham Lincoln habe so viel getan für die Afroamerikaner wie er selber. Das ist natürlich eine Lüge. Daneben versuchen die Republikaner auch, prominente Schwarze wie 50 Cent oder Ice Cube auf ihre Seite zu ziehen. Zudem gibt es einen Aktionsplan, um die schwarze Bevölkerung in den nächsten vier Jahren besserzustellen. Andererseits distanziert sich Trump aber nicht von den weissen Rassisten im Land.
Biden und Harris versuchen, ‹Black Lives Matter› entgegenzukommen.
Biden und seine Vize-Kandidatin Kamala Harris werden mit dem für Schwarze sehr nachteiligen US-Justizsystem in Verbindung gebracht. Beide versprechen deshalb eine Justizreform, falls sie gewählt würden – insofern versuchen die Demokraten, «Black Lives Matter» entgegenzukommen.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.