Präsident Donald Trump und Herausforderer Joe Biden liegen im Rennen um das Weisse Haus um Haaresbreite gleichauf. Die Nerven der Wähler und Beobachter sind zum Bersten gespannt. Die Kandidaten? Reagieren ganz unterschiedlich auf den Auszählungsthriller. Über deren Kommunikation und die Psychologie dahinter hat SRF News mit Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik an der Universität Köln, gesprochen.
SRF News: Nach Mitternacht (MEZ) hat Präsident Trump gesagt: «Zahlt man nur die legalen Stimmen, gewinne ich locker. Zählt man auch die Illegalen, dann können sie versuchen, die Wahl zu stehlen.» Glaubt er selber wirklich, was er da sagt, wenn er immer wieder von Wahlbetrug spricht?
Thomas Jäger: Das ist schwierig zu wissen, ob er das nur spielt oder ob er die Rolle jetzt inzwischen über die vier Jahre so verinnerlicht hat, dass er wirklich meint, er würde betrogen. Aber was er eigentlich gesagt hat, ist, dass er alleine für die amerikanische Bevölkerung stehe; allein gegen das grosse Geld, gegen die grossen Medienkonzerne, gegen die grossen Tech-Konzerne, die alle versucht hätten, seine Wahl zu verhindern – etwa durch Umfragedaten, die sich alle als falsch erwiesen.
Je härter die Auseinandersetzung wird, desto mehr Menschen kann diese Erzählung erreichen.
Diese hätten versucht, Wahlgänge zu unterdrücken, hätten versucht, den Leuten zu sagen: «Geht überhaupt nicht raus. Es hat gar keinen Sinn. Trump wird nicht gewinnen.» Und Trump macht daraus eine grosse Verschwörung, als würden das grosse Geld, die grossen Medien- und Techkonzerne alle unter einem Hut sitzen und würden gegen ihn kämpfen. Aber man muss bedenken, dass das ungefähr ein Fünftel der amerikanischen Bevölkerung eben daran glaubt. Und je härter die Auseinandersetzung wird, desto mehr Menschen kann diese Erzählung erreichen.
«Wir haben keine Zweifel, dass Senatorin Harris und ich als Sieger feststehen werden, sobald alle Stimmen ausgezählt sind», sagte Joe Biden. Die Entwicklung der letzten Stunden gibt Biden recht.
Das ist richtig. Und das ist ja etwas, was sich durch Bidens Wahlkampf durchzieht. Im Sinne: Wenn der Trend dein Freund ist, dann lass ihn einfach laufen. So hat er das ja am Anfang gemacht, als er sich gar nicht gezeigt hat, sondern gesagt hat: «Die Pandemie geht so schlecht und die Regierung gibt so ein schlechtes Bild ab. Da brauche ich mich überhaupt nicht zu äussern.» Und jetzt mag er denken: Trump desavouiert sich selbst.
Jenseits der Kommunikation der beiden Anwärter: Worauf soll man denn in den nächsten Stunden im Kampf um die US-Präsidentschaft besonderes Augenmerk legen, wenn man sich ein Bild vom Wahlausgang machen will?
Nun, es sind die Staaten Pennsylvania, Georgia, North Carolina, Arizona und Nevada, in denen man genau schauen muss, wie sich der Trend entwickelt. Und letztlich bleibt nichts anderes übrig, als sich einen schönen Kaffee zu brühen und zu warten, bis das offizielle Wahlergebnis veröffentlicht ist.
Das Gespräch führte Roger Aebli.