Es ist, als ob Präsident Trump und die Republikaner ein Drehbuch umsetzten, das längst geschrieben worden ist. Seit einem halben Jahr streuen sie den Verdacht, dass es bei den US-Wahlen nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Dabei stützen sie sich auf die blosse Vermutung, dass die Briefwahl einfacher zu manipulieren sei als die persönliche Stimmabgabe.
Angriff auf Briefwahl kaum erfolgreich
Auch die neuesten Klagen sind wenig konkret. In Pennsylvania macht die Trump-Kampagne zum Beispiel geltend, dass die Identität der Bürger, die per Brief wählten, weniger stark überprüft worden sei als jener, die ein Wahllokal besuchten.
Die Gerichte sollen also die Briefwahl an sich disqualifizieren, nachträglich, nachdem Präsident Trump die Wahl verloren hat. Dass ein Gericht dieser Klage stattgeben könnte, ist kaum denkbar.
Republikaner fürchten um Zukunft
Und doch tun führende Republikaner so, als ob es sich um einen legitimen und wichtigen Prozess handelt, wie etwa Senator Lindsey Graham. Jeder einzelne Betrugsfall müsse aufgedeckt werden, sagte er gegenüber Fox News: Wenn die Republikaner nicht sofort etwas gegen die Briefwahl unternähmen, würden sie nie wieder das Weisse Haus von innen sehen.
Tatsächlich haben rund doppelt so viele Bürger und Bürgerinnen dieses Jahr brieflich gewählt, und sie haben mehrheitlich für Joe Biden eingelegt. Das ist bitter für die Republikaner, doch eine Niederlage ist noch lange kein Klagegrund.
Justizminister bricht Tabu
Nun hilft das Justizdepartement der Trump-Regierung nach. Gestern erlaubte Justizminister William Barr seinen Staatsanwälten, in Wahlbetrugsfällen zu ermitteln, bevor die Bundesstaaten ihre Wahlresultate zertifiziert haben. Das war bisher ein Tabu – laut einer Regel, die seit 1980 gilt und die Einmischung der Bundesbehörden in die Wahlen verhindern soll.
Zwar präzisiert Barr, dass nur bei substantiellem Anfangsverdacht vorgegangen werden dürfe. Das heisst, dass aktuell kaum Ermittlungen zu erwarten sind. Doch die Botschaft ist draussen. Auch das Justizministerium denkt irgendwie, dass irgendetwas mit dem Wahlresultat nicht koscher ist.
Trumps Strategie zeigt Erfolg
Laut einer Umfrage zweifeln inzwischen 70 Prozent der republikanischen Wähler und Wählerinnen am Sieg des Demokraten Joe Biden. Und das ist wohl das wirkliche Ziel von Präsident Trump und seinen getreuen Republikanern: Beim Abgang aus dem Weissen Haus möglichst viel «Foul» zu schreien, die Basis heiss zu halten bis zum allerletzten Schlusspfiff und danach.
Man fragt sich, wo der berühmte amerikanische Sportsgeist eigentlich geblieben ist.