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Attentat auf Trump: Kann Rhetorik in der Politik Gewalt auslösen?
Aus News Plus vom 15.07.2024. Bild: Reuters/Eduardo Munoz (26.04.2024)
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Umgangston im US-Wahlkampf Kann politische Rhetorik zu Gewalt führen?

Nach dem Angriff auf Donald Trump wird die aggressive Rhetorik in der US-Politik für die Tat verantwortlich gemacht. Sind die Sprache und der Umgangston im Wahlkampf mitverantwortlich für die Schüsse auf den ehemaligen Präsidenten?

Bei einer republikanischen Wahlkampfveranstaltung kam es zu einem Attentat auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Hat die aggressive Rhetorik in der US-Politik die Tat beeinflusst? Worte von Politikerinnen und Politikern können tatsächlich zu Gewalt führen. Das sagt Curd Knüpfer, Experte für politische Kommunikation und Mediensysteme in Nordamerika an der Freien Universität Berlin.

Doch im aktuellen Fall müsse man vorsichtig sein mit solchen Aussagen. Klar ist, dass ein aufgeheiztes politisches Klima in den USA existiert. Aber die Tat eines Einzeltäters könne nicht monokausal auf den Umgangston in der US-Politik zurückgeführt werden. Es sei einerseits zu wenig bekannt über die Motive des Angreifers. Andererseits seien es verschiedene Faktoren, die zu so einer Tat führen oder die Gewalt vorhersagen lassen:

Verschiedene Faktoren beeinflussen Gewalttaten

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  • Frühere Gewalttaten: Wenn in der Vergangenheit bereits Gewalt ausgeübt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es wieder zu Gewalttaten kommt.
  • Polarisierung: Wenn Meinungen und politische Einstellungen stark auseinandergehen, kann dies zu Spannungen führen. Es wird ein starkes Wir-Gefühl auf der einen Seite und ein Die-Gefühl, ein «Outgrouping» auf der anderen Seite kreiert.
  • Entmenschlichung: Wenn bestimmte Gruppen von Menschen als weniger wertvoll oder nicht menschlich dargestellt werden, erhöht sich das Risiko von Gewalt. Das geschieht zum Beispiel durch Begrifflichkeiten wie «Ungeziefer».
  • Opportunistische Politiker und Politikerinnen: Sie testen das System, indem sie beispielsweise politisch inkorrekte oder polarisierende Sprache nutzen, um Aufmerksamkeit zu erregen und ihre Macht zu festigen.
  • Reaktion des politischen Apparats auf gewalttätige Sprache: Tolerieren oder verurteilen politische Führungsmitglieder oder Institutionen polarisierende Sprache?
  • Politische Rhetorik: Die Art und Weise, wie Politiker und Politikerinnen ihre Botschaften formulieren und kommunizieren, kann die öffentliche Meinung beeinflussen und Spannungen in der Gesellschaft verstärken oder verringern.

    In den USA herrscht laut Knüpfer eine asymmetrische Polarisierung, die primär von der republikanischen Partei und deren medialen Unterstützern wie Fox News ausgeht. Donald Trump und seine Anhänger hätten sich von einem respektvollen politischen Diskurs entfernt.

Menschenmenge hält Trump-Schilder und amerikanische Flaggen bei politischer Kundgebung im Freien.
Legende: Verschiedene Faktoren tragen zur Zunahme politischer Gewalt bei, darunter die Verschärfung der politischen Rhetorik. Reuters/Etienne Laurent (14.07.2024)

Der Experte nennt Beispiele: Aufruf zu Gewalt, politische Gegner als Ungeziefer bezeichnen, Belustigung nach Angriff auf Mann von Nancy Pelosi. «Damit verlässt man eine rhetorische Ebene, die man in den 90er- und Nullerjahren noch gekannt hatte. Man hatte Respekt gegenüber der anderen Seite.»

Grundsätzlich könne man sagen: Die Art und Weise, wie sich Politikerinnen und Politiker öffentlich äussern, ist eines von mehreren Puzzleteilen, die schlussendlich zu politischer Gewalt führen können. In der Regel führt die Rhetorik jedoch eher zu Gewalt durch Gruppen als Einzelpersonen.

Einzelfall oder Symptom?

Curd Knüpfer sieht das Ereignis im Kontext eines grösseren Problems. Politisch motivierte Gewalttaten häufen sich, auch gegen demokratische Politiker und Politikerinnen, auch in Form von Drohungen und Hasskommentaren. «Es sind viele Faktoren am Werk.»

Eine historische Perspektive

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Auch in den 90er-Jahren gab es politische Akteure, die Polarisierung nutzten – beispielsweise Newt Gingrich, ehemaliger republikanischer US-Abgeordneter, oder Pat Buchanan, republikanischer Politiker.

Doch damals standen solche Personen auch in der eigenen Partei eher am Rand. Trump hingegen wird von seinen Reihen nicht zurückgepfiffen. «Er nutzt diese politisch inkorrekten Dinge, um Aufmerksamkeit zu erhaschen.»

Der Anschlag am Wochenende wurde auch von demokratischer Seite verurteilt. Beim Angriff aufs Kapitol am 6. Januar 2021 sei das nicht so klar gewesen, sagt Knüpfer. «Da gibt es viele führende Republikaner, darunter Trump, die die Demonstranten nach wie vor unterstützen. Sie fordern, dass sie aus dem Gefängnis entlassen werden sollen.»

Der Politologe erwähnt auch Veränderungen im medialen Apparat, der politischen Landschaft und der republikanischen Partei: «Sie straft Trump nicht, lässt ihn durchkommen. Das ist ein diskursives Phänomen, das sich manifestiert.»

«Learning Effekt» als Lösungsansatz

Für eine Veränderung der politischen Rhetorik müssten politische Eliten Verantwortung übernehmen. Eine mögliche Lösung sieht der Politologe darin, dass Kandidaten, die sich radikaler Rhetorik bedienen, im Wahlkampf scheitern. Als Lerneffekt könnte eine aggressive Rhetorik nicht länger als gewinnbringend angesehen werden. Finanzielle Unterstützer der Parteien könnten eine gemässigte Rhetorik fördern.

Hand hält Smartphone mit Trump-Interview vor Fox News Demokratie 24 Bildschirm.
Legende: Die Verantwortung für die aufgeheizte politische Stimmung und die daraus resultierenden Gewalttaten liegt laut Knüpfer nicht nur bei einzelnen Personen wie Trump. Sondern auch bei einem veränderten medialen und politischen Apparat. Reuters/EPA/ETIENNE LAURENT

Angesichts der bisherigen Entwicklungen ist Knüpfer pessimistisch: «Wir haben in den letzten Jahren eine Steigerung dieser Rhetorik und relativ wenig Fingerklopfen gesehen.»

Curd Knüpfer sieht aufgrund der bestehenden Trends wie Polarisierung und Entmenschlichung ein hohes Risiko für weitere politische Gewalttaten. «Es wäre naiv zu glauben, dass sich die Situation bald verbessern könnte.»

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Echo der Zeit, 15.07.2024, 18 Uhr ; 

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