Die Kennedys sind in den USA eine Art Polit-Adel – und Ikonen der Demokraten. Die Dynastie hat einen US-Präsidenten und drei Senatoren hervorgebracht. Robert F. Kennedy Jr. aber ist das schwarze Schaf der Familie. Wer nach Gründen sucht, stösst auf eine vermutlich traumatisierende Jugend.
Kennedy war neun Jahre alt, als sein Onkel, Präsident John F. Kennedy, einem Attentat zu Opfer fiel – und er war 14 Jahre alt, als sein Vater, auch er ein Präsidentschaftskandidat, ermordet wurde. Kennedy wurde drogenabhängig, doch er schien die Kurve zu kriegen: Er wurde zu einem angesehenen Umweltschützer. Als Anwalt ging er gegen Konzerne vor, die den Hudson-Fluss an der Ostküste verschmutzten.
Impfskepsis und Verschwörungstheorien
Dieser Kampf gegen Verschmutzung und Konzerne führte Kennedy auf Abwege. 2005 behauptete er, quecksilberhaltige Impfungen würden bei Kindern zu Autismus führen. Die Behauptung ist falsch und wurde mehrfach wissenschaftlich untersucht. «Es gibt keine Impfung, die sicher und effektiv ist», erklärte er im Juli 2023 in einem Podcast.
Der heute 70-Jährige wehrt sich gegen die Bezeichnung Impfgegner und beteuert, er fordere einzige sichere, wissenschaftlich geprüfte Impfungen. Doch in Podcasts referiert er stundenlang und verbreitet massenhaft abstruse Verschwörungstheorien. Er zitiert aus Studien, die seinen Behauptungen den falschen Anschein von Wissenschaftlichkeit geben.
Seine Theorien drehen sich vielfach um die Pharmaindustrie, die, so Kennedy, die Regierungsbehörden kontrolliere. Kennedy wurde in der Covid-Pandemie zu einer Galionsfigur der Impfskeptiker und Massnahmengegner. Die Pandemie führe zu einem totalitären Regime, erklärte er an einer Veranstaltung in Washington.
Kandidatur als Unabhängiger
Letztes Jahr kündigte Kennedy an, er trete zur Präsidentschaftswahl an – als Demokrat. Später erklärte er, er kandidiere als Parteiunabhängiger. Diese Woche stellte er seine Vizepräsidentschaftskandidatin vor: Nicole Shanahan, eine wohlhabende Anwältin aus Kalifornien.
Das Impfthema wird in Kennedys Wahlkampfprogramm nicht explizit erwähnt. Die Rede ist aber von Regierungsbehörden, die von grossen Konzernen kontrolliert würden. In seiner Ankündigungsrede versprach Kennedy: «Ich beende die korrupte Verschmelzung von Konzernen und Regierung. Uns droht eine neue Feudalherrschaft der Konzerne.»
Was ich verkörpere, versetzt die Eliten in Angst und Schrecken.
Dass Kennedy jahrzehntelang ein Demokrat war, widerspiegelt sich im Wahlkampfprogramm: Kennedy will Konzerne zurückbinden, fordert höhere Mindestlöhne, verspricht Umweltschutz. Sein Name hat Gewicht, gerade bei Demokraten. Und als Impf- und Massnahmengegner darf Kennedy auch auf Stimmen aus dem rechten Lager hoffen. «Was ich verkörpere, versetzt die Eliten in Angst und Schrecken: eine populistische Bewegung, die der Links-Rechts-Spaltung trotzt.» Das sagte Kennedy an einer seiner Reden.
In den USA hat ein unabhängiger Kandidat wie er kaum Chancen. Doch viele sind mit den Kandidaten der grossen Parteien unzufrieden. Kennedy geniesst – so lassen es die Umfragen vermuten – beträchtliche Unterstützung.
Und wenn er es in entscheidenden, umkämpften Bundesstaaten auf den Wahlzettel schafft, könnte er einem der anderen Kandidaten den Wahlsieg vermiesen. Die Frage ist: Wem kostet er mehr Stimmen – den Demokraten oder den Republikanern?