Mit der Fernsehdebatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump wurde die heisse Phase im US-Wahlkampf lanciert. Welche Rolle spielen dabei die sozialen Medien? Können kurze Videoclips auf Tiktok, X und Instagram die Wahl mitentscheiden? Fragen an Karsten Donnay, Spezialist für politische Kommunikation und digitale Demokratie.
SRF News: Wie beeinflussen die sozialen Medien den Präsidentschafts-Wahlkampf in den USA?
Karsten Donnay: Eine Mehrheit der Amerikaner informiert sich häufig online und vor allem die jüngere Generation eben auch über die sozialen Medien. Laut einer Studie von PEW-Research verwenden fast die Hälfte der 18- bis 29-Jährigen Tiktok, um sich über Politik zu informieren. Plattformen wie X (Twitter) waren auch schon bei den letzten Wahlen sehr politisch.
Der Stil der Kampagnenvideos hat sich gewandelt hin zu kürzeren und dynamischeren Formaten.
Neu ist im laufenden Wahlkampf, dass die Kampagnen eben auch sehr bewusst auf den «jüngeren» Plattformen wie Tiktok aktiv sind. Interessant ist, dass sich dadurch auch der Stil der Kampagnenvideos zum Teil gewandelt hat hin zu kürzeren und dynamischeren Formaten.
Kamala Harris ging vor allem auf Tiktok wiederholt viral. Wie viel kann ihr das im Wahlkampf nutzen?
Harris ist spät und mit einem recht grossen Bekanntheitsdefizit in den Wahlkampf gestartet. Die Sichtbarkeit ihrer viralen Tiktoks hat da schon das Potenzial, sie auch über die Parteigrenzen hinweg bekannter zu machen. Eine aktuelle Umfrage der «New York Times» und dem Siena College zeigt aber auch, dass die Wähler inhaltlich noch zu wenig verstehen, für welche Politik Kamala Harris eigentlich steht.
Welche Partei agiert momentan besonders gut in den sozialen Medien?
Strukturell haben die Demokraten Vorteile auf grossen Plattformen wie X oder Tiktok. Vor allem das Kampagnenteam von Kamala Harris setzt sehr gezielt die sozialen Medien ein, um vor allem jüngere Wähler zu erreichen. Und sie können auf mehr einflussreiche Influencer und Prominente zählen, die ihre Kampagne unterstützen.
Viral gehende Videoclips wie die von Harris erreichen ein breiteres Publikum und Personen aus dem anderen politischen Lager.
Es ist jedoch schwer zu sagen, ob und wie sich das in Wählerstimmen übersetzt. Aber viral gehende Videoclips wie die von Harris haben nicht nur eine grössere Reichweite, sie erreichen vor allem auch ein breiteres Publikum als die eigenen Followers, gerade auch Personen aus dem anderen politischen Lager oder unentschlossene Wähler.
Wie werden Leute erreicht, die solche Plattformen nicht nutzen?
Andere Medien greifen häufig wichtige Inhalte von sozialen Medien auf und berichten darüber. Interessant ist, dass gerade junge Plattformen wie Tiktok dadurch politische Inhalte direkt im Familien- oder Freundeskreis bekannt machen können. Damit könnte eine Kandidatin wie Harris über junge Tiktok-Nutzer in eher konservativen Elternhäusern bekannt werden. Allerdings ist dieser Effekt sehr schwer messbar, denn auch wenn hier zusätzliche Sichtbarkeit erzeugt wird, übersetzt sich das nicht direkt in Wählerstimmen.
Die sozialen Medien waren mit ein Grund für die Wahl von Donald Trump 2016. Wieso kann er online nicht mehr dominieren?
Die sozialen Medien haben sich seit der Wahl 2016 stark gewandelt und damit auch die Anforderungen an die Kampagnen. Und so wie die gesamte amerikanische Gesellschaft sind auch die sozialen Medien viel stärker polarisiert und fragmentiert. Hinzu kommt, dass Trump zwar inzwischen auf X zurückkehren durfte, aber die Plattform sich von den Inhalten, Dynamiken und Nutzern her stark gewandelt hat. Vor allem jüngere Wähler sind heute auf anderen Plattformen.
Das Gespräch führte Fabrizio Bonolini.