Die US-Wahl lässt Europa ratlos. «Wir wissen nicht, wie Donald Trump Amerika regieren wird», sagt der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier. Am Sonntagabend besprechen die EU-Aussenminister, was künftig aus Washington zu erwartet ist.
Wird der künftige Präsident Trump anders regieren als es der ehemalige Wahlkämpfer Trump angekündigt hat? Denn bliebe es bei dessen Ansagen, läge die US-Regierung bald bei zentralen aussenpolitischen Themen mit den europäischen Partnern über Kreuz. Und die Welt sähe wohl bald etwas anders aus. Ein Überblick:
- Russland: Steht Europa demnächst alleine gegen Putin?
Die EU ist erbost über die russische Annexion der Krim und die Unterstützung Moskaus für die Separatisten in der Ostukraine. Zuletzt debattierte die Gemeinschaft neue Sanktionen gegen Russland wegen des Syrien-Kriegs. Trump betonte hingegen im Wahlkampf, er wünsche sich engere Beziehungen zu Russland und zu Präsident Wladimir Putin. «Ich glaube, Putin und ich kämen gut miteinander aus», hatte er der «New York Times» gesagt. Glaubt man der russischen Regierung, gibt es schon Drähte Trumps nach Moskau. «Es gab Kontakte. Sie werden fortgesetzt», sagt Vizeaussenminister Sergej Rjabkow. Viele EU-Verbündete fanden dagegen nach eigenem Bekunden vor der Wahl keinen Zugang zu Trump oder seinem Team.
- Syrien: Suchen bald noch mehr Flüchtlinge Schutz in Europa?
Trump hat es zur obersten Priorität erklärt, die in Syrien und Irak ansässige Terrormiliz Islamischer Staat zu zerschlagen. Dafür würde er mit Russland zusammenarbeiten, wie er im Wahlkampf bekannte: «Ich sage, wenn wir uns mit Russland verstehen und Russland mit uns rausgeht und den IS zur Hölle schiesst, dann ist das für mich ok.» Der Kampf gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ist für ihn nach eigenen Worten nachrangig. Der scheidende Präsident Barack Obama und die Europäer wollen dagegen unbedingt, dass Assad geht. Über Assads Kriegsführung, vor der Millionen fliehen, sind sie entsetzt.
- Iran: Lässt Trump den Atom-Deal platzen?
Für Obama und die Europäer war das Wiener Atomabkommen mit dem Iran von 2015 ein diplomatischer Durchbruch. Der Vertrag soll verhindern, dass die Islamische Republik Atomwaffen bekommt. Teheran hat strikte Auflagen akzeptiert und dafür die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen erreicht. Trump spricht von einem «furchtbaren Abkommen», das dem Regime schneller zu Atomwaffen verhelfe als ohne Einigung. Obendrein bekomme es Milliarden. Aus Teheran kam bereits die Mahnung, Trump solle umdenken und das Abkommen erfüllen.
- TTIP: Ist der geplante Freihandelspakt gestorben?
Trump hat im Wahlkampf zwar wenig zum geplanten EU-Freihandelsabkommen TTIP gesagt, dafür umso heftiger gegen dessen Gegenstück TPP für den Pazifischen Raum und gegen die Freihandelszone Nafta in Nordamerika gewettert. Schon mit Obamas Regierung kam die EU bei TTIP nicht wirklich weiter. Am Freitag stellte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström nüchtern fest, dass mit Trump nun wohl eine «Pause» bei den Verhandlungen komme. Dabei glaubt die EU weiter eisern an die Vorzüge des Pakts, von dem sie sich Wachstum und neue Jobs erhofft.
- Nato: Muss sich Europa künftig alleine verteidigen?
Die meisten EU-Länder sind auch Nato-Partner der USA. Und hier zerschlug Trump wohl am meisten Porzellan. Viele europäische Nachbarn seien irritiert über Trumps abschätzige Äusserungen über die Nato, sagte der deutsche Aussenminister Steinmeier dem «Spiegel».
So hatte sich Trump im Wahlkampf nicht eindeutig zur Beistandspflicht für Nato-Partner im Falle eines Angriffs bekannt – ein Grundprinzip des Verteidigungspakts. Stattdessen kritisierte er immer wieder, dass einige Länder zu wenig für das Militär ausgäben und sich lieber von den USA beschützen liessen. Er drohte ihnen indirekt: «Bei Geschäften muss man auch immer bereit sein rauszugehen.» Wenn Deutschland, Japan oder Südkorea sicher sein könnten, dass die USA nicht abzögen, warum sollten sie dann bezahlen?, fragte er in der «New York Times». In der Tat dürften die eurpäischen Nato-Verbündeten deshalb künftig mehr für ihre Verteidigung ausgeben müssen, meint Stephan Bierling, Professor für internationale Politik an der Universität Regensburg.