Er war der Mann, der George W. Bush die Stirn bot. Als der damalige Präsident Bush 2004 heimlich Kommunikationsdaten von Amerikanern sammeln wollte, verweigerte James Comey, damals Stellvertreter von Bushs krankem Justizminister John Ashcroft, seine Zustimmung.
Als Bushs Leute anschliessend Justizminister Ashcroft im Spital die Unterschrift für die umstrittene Überwachung abringen wollten, raste Comey hinterher – und setzte sich am Ende durch. Seither gilt der irischstämmige Zwei-Meter-Mann als prinzipientreu und unabhängig.
Vor drei Jahren berief der Demokrat Barack Obama den Republikaner Comey sogar zum Chef der obersten Polizeibehörde FBI.
Handelt er aus politischem Kalkül?
Doch der Ruf des FBI-Chef hat gelitten, seit er vergangenen Freitag ankündigte, weitere Nachforschungen zu Hillary Clintons umstrittenen E-Mails aus ihrer Zeit als demokratische Aussenministerin anzustellen. Elf Tage vor der Wahl.
Nicht nur Kritiker fragten sich, ob Comey aus politischem Kalkül gehandelt haben könnte. Der 55-jährige Jurist, lange Jahre lang Mitglied der republikanischen Partei, gilt zwar seit diesem Sommer offiziell als parteilos. Aber wie ernst ist es ihm damit?
Konservative legten ihm Rücktritt nah
Der Vater von fünf Kindern hat sich schon früher in die Politik eingemischt. In diesem Sommer zum Beispiel. Erst verteidigte er den FBI-Entscheid, in der E-Mail-Affäre keine Anklage gegen die frühere Aussenministerin Clinton wegen Verletzung von Geheimhaltungsvorschriften anzustrengen.
Dann schob er eine persönliche Erklärung nach, in der er Clintons Verhalten als «grob fahrlässig» kritisierte. Ein bemerkenswert ungewöhnlicher Schritt für einen Mann in seiner Position. Comey sagte, er habe durch völlige Transparenz keine Zweifel an der Integrität des FBI aufkommen lassen wollen. Das überzeugte lange nicht alle: Sogar Konservative legten Comey damals den Rücktritt nahe.
Schatten auf der Integrität
Er ist geblieben. Und steht schon wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Weil sich der FBI-Chef weigert, Gerüchte aus der eigenen Behörde zu bestätigen, wonach sich der Republikaner Donald Trump durch russische Regierungskreise manipulieren lässt. Er wolle den Ausgang der Präsidentenwahl nicht beeinflussen, sagte Comey zur Begründung.
Dass er fast gleichzeitig neue Ermittlungen gegen Clinton ankündigt, ohne Details zu der Schwere der Anschuldigungen offen zu legen, wirft einen grossen Schatten auf seine eigene Integrität. Warum er das gemacht hat, und warum jetzt, so kurz vor der Wahl, bleibt sein Geheimnis.
Der selbstdeklarierte Unabhängige James Comey ist – ob gewollt oder ungewollt – längst selbst Teil der Wahlkampfs geworden.