Noch zwei Tage bis zur Präsidentenwahl in den USA. Das Wood County im US-Bundesstaat Ohio stimmt seit jeher mit der Mehrheit und damit auch für den künftigen Präsidenten. Kann man im Wood County auch 2016 erneut den Puls der Nation nehmen, in einem Wahljahr, wo manches ganz anders ist?
In Bowling Green, dem Hauptort des Wood County, donnert eine endlose Blechlawine mitten durch die Stadt. Ein Fussgänger wird fast überfahren und rennt schimpfend über die Strasse.
Es ist Gary Bair. Er hat schon gewählt, aber für keinen der beiden Favoriten: «I don’t have a dog in this fight – mich geht das nichts an», sagt Bair, der für den unabhängigen Kandidaten Gary Johnson gestimmt hat. Er wolle sich schliesslich noch im Spiegel anschauen können. Donald Trump findet er einen Hanswurst und Hillary Clinton sei kriminell.
Die angehende Pflegefachfrau Tyler Garron geht gar nicht erst wählen. Auch sie mag die Kandidaten nicht: Sie wolle nicht verantwortlich sein für die Wahl des nächsten US-Präsidenten. Da bleibt sie lieber zu Hause.
Ein grosser Fehler, findet der Musikstudent Brian Henan. Gerade jetzt in diesem knappen Rennen müsse man wählen gehen, denn es zähle jede Stimme. Henan will Clinton wählen, denn die langjährige Politikerin sei besser vorbereitet für das Amt als Trump.
Bill Torres hingegen hat noch nie gewählt. Das alles interessiert den Koch «im besten Restaurant der Stadt», wie er sagt, überhaupt nicht. «Ich habe nur Schlechtes über die beiden gehört», sagt Torres und eilt zurück in die Küche.
Wood County – Barometer der Nation
Alle der Befragten sind sich einig, dass der Wahlkampf abscheulich und die Kandidaten voller Fehler seien. Wenn diese kurze Strassenumfrage repräsentativ wäre, würde im Wood County wohl niemand gewählt, weil kaum jemand an die Urne gehen will.
Dabei ist der Bezirk seit Jahrzehnten quasi das Barometer der Nation. So wie im Wodd County wählt die Mehrheit in den USA. Warum das so ist, weiss Melissa Miller, Professorin für Politwissenschaften an der staatlichen Universität in Bowling Green:
«Das Wood County hat nicht nur Republikaner und Demokraten, sondern auch eine bedeutende Zahl von unabhängigen Wählern. Sie sind das Zünglein an der Waage, denn sie schwingen zwischen den beiden Parteien hin und her. Das passiert in allen ‹Swing States›, aber nirgends ist es so klar wie im Wood County».
Und wohin schwingt das Pendel diesmal? Professorin Miller prognostiziert, dass nicht nur das County, sondern auch der Staat Ohio an Donald Trump gehen wird. Darauf würde sie sogar Geld wetten. Gleichzeitig meint sie, dass Hillary Clinton die Wahl wohl dennoch gewinnen werde.
Ein Widerspruch? Oder gar eine Trendwende? Miller vermutet, dass das Wood County seinen Sonderstatus als Barometer der Nation verlieren könnte. Nicht nur jetzt, sondern auch für weitere Wahlen.
Denn grundsätzlich wähle das Wood County republikanisch. Nur bei speziellen Konstellationen wechsle es zu den Demokraten. Etwa wenn der Kandidat grosse Begeisterung hervorrufen könne wie damals Bill Clinton und Barack Obama. Aber Hillary Clinton könne so etwas nicht bieten.
Es gibt auch Trump-Wähler
Auf der lärmigen Hauptstrasse durch Bowling Green findet sich aber auch noch jemand, der Donald Trump wählen will. Der Grund dafür ist jedoch erstaunlich: «Ich bin ein Trump-Fan», sagt Patti Huckaba. «Er ist für ganzheitliche Medizin und gegen das Impfen». Huckaba kann sich freuen, wenn Professorin Miller Recht haben wird und Trump tatsächlich das Wood County gewinnt.
Bis jetzt hätte das bedeutet, dass Trump auch Präsident wird. Sollte Clinton die Wahl gewinnen, wird im Wood County nichts mehr so sein, wie es war.