Nicht einer der hundert auflagenstärksten Zeitungen in den USA hat im Wahlkampf Donald Trump unterstützt. Nicht einmal Medien wie der stramm konservative TV-Sender Fox News stellten sich eindeutig hinter den Polit-Neuling aus New York. Und trotzdem hat Trump die Wahl ins Weisse Haus gewonnen. Der Journalist und Medienmanager Wolfgang Blau sagt, zwischen Trump und den Medien gibt es ein grosses Missverständnis.
SRF hat Wolfgang Blau gefragt, um welches Missverständnis es sich handelt.
Wolfgang Blau: Die Medien haben es versäumt, Trump ernst zu nehmen. Sie nahmen ihn aber beim Wort und haben vor allem darauf vertraut, Fakten zu überprüfen, um ihn zu widerlegen. Aber Trumps Wähler nahmen es mit den Fakten nicht so genau. Viele wussten wohl, dass er nie eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen können wird. Aber sie haben ihn ernst genommen.
Die Medien haben es versäumt, Trump ernst zu nehmen.
Vielerorts war es eine Art Clown-Show: Trump hat für gute Quoten gesorgt, er war so bizarr, so abstrus, so wunderbar abstossend, aber er hat immer für grosse Reichweiten gesorgt. Hier liegt ein Versäumnis der Medien, die nicht früher damit rechneten, dass es wirklich sein könnte, dass dieser Mann zuerst die Kandidatur erringt und dann auch tatsächlich Präsident wird.
Ähnlich war es bei der Berichterstattung zum Brexit, wo auch noch wenige Monate vor dem Referendum Mitte Juni viele ernst zu nehmende Journalisten sagten, dass es nie zum Brexit kommen werde.
Ein anderes Missverständnis lag wohl auch darin, mehr oder minder qualitative Argumente von Trump oder der Brexit-Befürworter, die sich um Themen wie Identität drehten, mit quantitativen Argumenten bekämpfen zu wollen, also mit dem Fact-Checking.
Was sollen Journalisten denn anderes tun, als Fakten zu suchen, um konkrete Aussagen zu erhalten?
Es gibt kein Entweder-oder. Journalismus hat schon immer beides getan, analysiert und kommentiert. Beim Brexit haben es die Medien versäumt, an einem überzeugenden Narrativ für einen Verbleib in der EU zu arbeiten.
Bei Clinton war es aber anders. Da gab es durchaus ein für viele überzeugendes Narrativ für Clinton. Und es gab Berichte über die Leute, die im Mittleren Westen ihren Job verloren haben und zu Trump neigen könnten.
Das Clinton-Lager war weniger leidenschaftlich. Es ging darum, etwas zu verhindern. Der stärkste Clinton-Narrativ war: Trump muss verhindert werden. Es war ein Verhinderungs-Wahlkampf. Ähnlich war es in Grossbritannien, wo es darum ging, den Brexit zu verhindern, nicht darum, die EU zu ermöglichen.
Trump hat für gute Quoten gesorgt
Zudem würde ich sagen, dass es die Egozentrik des Journalismus widerspiegelt, dass wir diese Debatte nun führen – als ob wir diese Wahl hätten verhindern können, hätte unser guter und erhellender Journalismus doch nur die Menschen auch in den ärmeren Regionen der USA erreichen können.
Denken Sie, Trump-Wähler informieren sich überhaupt noch über die traditionellen Medien?
Man weiss, dass die Mehrheit der US-Amerikaner sich über Facebook informiert. Es gibt dort ein Dienstleister, der ein Ranking erstellt hat, welches die meist geteilten Nachrichtenquellen waren auf Facebook. Da dominierten die rechten bis sehr rechten Medien, bis hin zur Internet-Seite Breitbart News Network, die stärker geteilt wurde als beispielsweise die liberale New York Times.
In den sozialen Medien bewegen wir uns oft in Filter-Blasen, bekommen wir immer wieder unsere eigene Meinung gespiegelt. Welche Rolle spielte das in diesem Wahlkampf?
Ich bin beispielsweise auf Facebook mit über 2700 Menschen befreundet und nutze Facebook seit vielen Jahren. Facebook hat bei mir also sehr viele Datenpunkte, die eigentlich besagen müssten, dass ich mich über ein breites politisches Spektrum über viele Länder hinweg täglich informiere.
Journalisten würde mehr Empathie gut tun.
Dennoch sah ich in diesen Tagen seit der US-Präsidentschaftswahl ausschliesslich negative Kommentare über Trump und nicht eine einzige Jubelmeldung. Und ich bin mir sicher, dass es andere Nutzer-Segmente gibt, die nur positive Statements sehen über den Ausgang dieser Wahl. Das macht mich nachdenklich.
Was müssten Journalisten ändern, um die Leute doch noch zu erreichen?
Journalisten müssen sich stärker damit auseinandersetzen, dass – selbst wenn sie nicht viel Geld verdienen – sie in aller Regel wohlhabender sind als die Menschen, über deren Wahlverhalten sie sich nun wundern. Journalisten würde mehr Empathie gut tun, um zu spüren, wie es sich anfühlt, mit grösster Wahrscheinlichkeit nie mehr einen Job zu bekommen, oder dass auch die eigenen Kinder wahrscheinlich nie eine Festanstellung bekommen werden, wie man sie selbst einmal hatte.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.