SRF News: Hat das gestrige TV-Duell Sie in Ihrer Einschätzung bestärkt, dass aus rein rhetorischer Sicht Donald Trump die Wahl gewinnen wird?
Elisabeth Wehling: Ja, Trump hat ganz klar dominiert. Er hat die Themen und die Stimmung vorgegeben. Und er hat, was die Rhetorik betrifft, die Sprache, die Körpersprache und die Mimik, absolut gewonnen.
Was zeichnet Trumps Rhetorik aus?
Er weiss genau, wie man Themen selber setzt. Als der Wahlkampf begann, war die Immigration gar kein Thema. Aber er weiss, wenn man Menschen Angst macht und immer wieder ganz konkrete Bilder hervorruft, setzt man Themen. Die Menschen wollen dann auch mehr darüber wissen und darüber nachdenken. Trump kann richtig gut konkrete Bilder schaffen. Hillary Clinton bekommt das so nicht hin. Da haben die Berater von Clinton keinen guten Riecher dafür.
Zu Hillary Clinton haben Sie gesagt: Schlimmer als sie kann man es nicht machen. Was macht sie denn falsch?
Es ging mir bei dieser Aussage nicht um ihre Kampagne als Ganzes, sondern konkret um das Aufrufen von bestimmten Werten via Sprache. In diesem Fall ging es um die progressiven Werte und um die Frage, ob Clinton diese über Sprache gut aufruft.
Man sieht schon an den Slogans, was Hillary falsch macht. Mit «America first» und «Make America great again» benennt er das Volk, das er regieren will. Das hat Zugkraft. Das hat der Slogan «I’m with her» (wir stehen an ihrer Seite) nicht. Diesen Slogan hat Trump sogar genommen und umgedreht. Er sagte: «I’m with you» (Ich stehe an Eurer Seite). Damit suggerierte er, es gehe ihr nur um sich selbst, während er für das Volk da sei.
Kürzlich wurde dieses Video aus dem Jahr 2005 veröffentlicht. Trump verharmlost darin sexuelle Übergriffe. Hat er aus Ihrer Sicht die richtige sprachliche Abwehr gewählt?
Ja. Er ist sehr strategisch und sehr manipulativ. Er will sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen, denn es lässt ihn tatsächlich schlecht dastehen. Selbst in einem Land, das tendenziell so sexistisch ist wie die USA ist das, was er da sagt, beziehungsweise, was an die Öffentlichkeit gekommen ist, für ihn dumm gelaufen.
Er hat dieselbe Taktik angewandt, wie als das Video herausgekommen ist: Er hat sich entschuldigt und gesagt, man solle sich nicht aufhalten mit solchem Kinderkram, mit Jungengeschwätz in der Umkleidekabine. Das Thema kam in der TV- Debatte kurz auf, und er hat gesagt, dass er das nicht hätte sagen sollen. Aber dann wies er darauf hin, dass die USA von Terroristen bedroht seien und dass die Vereinigten Staaten den IS besiegen müssten. Es geht ihm nur um die Abwehrstrategie.
Man hat den Eindruck, in den USA höre der Spass auf, sobald Begriffe über Geschlechtsteile oder sexuelle Praktiken ausgesprochen werden. Wie gross schätzen Sie die politische Sprengkraft dieser Äusserungen ein?
Ich denke, die wird erstmal wieder vom Tisch sein. Das Problem ist nicht, dass da Geschlechtsteile benannt werden oder dass über Sexualität an sich gesprochen wird, auch wenn die Amerikaner ein etwas anderes Verhältnis zu solchen Dingen als die Europäer haben. Aber hier geht es ganz klar um Sexismus, wenn nicht um sexuelle Übergriffe, die zum Teil Straftaten sind. Dieses sollte ein grosses Thema sein in den USA, aber das wird es nicht. Alle Amerikaner, die ihn eh schon unterstützt haben, die im Alltag sexistisch denken, die haben damit kein Problem. Die können sich damit identifizieren.
Warum verschwindet dieses Thema gleich wieder?
Er kam sofort mit dem Begriff «Locker room banter». Das heisst «unter Jungs in der Umkleidekabine scherzen».
Trump hat eine gute Strategie gewählt. Es ging ja innerhalb von Stunden um die Frage, welchen Deutungsrahmen dieser Sache aufgesetzt wird. Er kam sofort mit diesem Begriff «Locker room banter». Das heisst «unter Jungs in der Umkleidekabine scherzen». Die Demokraten und die Medien haben diesen Begriff auch aufgegriffen. Die ganze Berichterstattung über dieses Thema «Locker room banter», und das war schon sein erster Sieg.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.