Ungefähr fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge werden vom UNO-Hilfswerk UNRWA unterstützt. Die Menschen leben zum Teil im Gaza-Streifen, viele der dort lebenden Menschen gelten als Flüchtlinge; andere leben aber auch in den umliegenden Ländern, im Libanon, in Syrien, in Jordanien.
Die USA haben bis anhin jährlich etwa 405 Millionen Franken beigetragen, damit finanzieren sie etwa ein Drittel der jährlichen Ausgaben. Sollten die USA also wie angekündigt ihren Beitrag stark zurückfahren, weil die Palästinenser den USA weder Anerkennung noch Respekt entgegen brächten, wie es Präsident Trump formuliert hat, so würde dies das Hilfswerk massiv treffen. Darunter leiden würden Millionen von Palästinensern.
In Brüssel trifft sich deshalb heute die internationale Kontaktgruppe für die Unterstützung der Palästinenser. EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini kündigte vor Beginn der Sitzung an, dass die EU ihr Engagement aufstocken werde. Doch die zusätzlichen 49.2 Millionen Franken reichen nie um das angekündigte Loch der Amerikaner zu stopfen. Es braucht mehr.
Doch bei der heutigen Sitzung geht es nicht nur ums Geld, es geht um mehr, wie die norwegische Aussenministerin Marie Eriksen Soreide betonte: «Ein Grund und Ziel dieses Treffens ist, die Hoffnung nicht zu verlieren.» Die EU und Norwegen halten noch immer am Oslo-Prozess fest, und den Verhandlungen, welche am Schluss zu einer Zweistaatenlösung führen sollen. Für sie gibt es keine Alternative.
Doch seit Präsident Trump auch bekannt gab, von nun an Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, ist der Friedensprozess an einem Nullpunkt angekommen. Nun gehe es darum, wieder Vertrauen zu schaffen, dafür ist das heutige Treffen der ideale Ort.
SRF News: Die EU ist weiter für eine Zweistaatenlösung, sie will die Vierergespräche zwischen ihr, den Israeli, den USA und den Palästinensern fortsetzen und ihre finanziellen Beiträge ans UNRWA weiter leisten – egal, was die USA machen. Wie wichtig ist das Signal der EU für die Palästinenser?
Gudrun Harrer: Für die Palästinenser ist es wichtig zu wissen, dass die EU als ganzes von der Entscheidung des US-Präsidenten, in Nahost Fakten zu schaffen, nicht berührt ist. Die EU bleibt bei ihrer Linie, dass über den Status des Westjordanlands und der palästinensischen Gebiete inklusive Ost-Jerusalem verhandelt werden muss. Das ist ein sehr starkes politisches Signal. Zudem ist es auch ein Signal, dass man bereit ist, finanziell einzuspringen – auch wenn die Summe nicht sehr gross ist und man weiss, dass man vielleicht mehr leisten wird müssen, wenn die Amerikaner ausfallen.
Wie wichtig ist das Signal für die Israeli?
Ich glaube nicht, dass sie politisch sehr beeindruckt sein werden. Sie kennen die Position der EU. Sie wissen auch, dass sich einzelne Länder trotz dieser Position ein bisschen bewegen.
Ein krasses Szenario wäre, wenn die ganze palästinensische Behörde zusammenbricht oder sich selbst auflöst.
Natürlich hat aber auch Israel ein Interesse daran, dass die Palästinensergebiete nicht destabilisiert werden. Man will nicht, dass alles zusammenbricht – und dazu braucht auch Israel die EU.
Was würde konkret geschehen, wenn die USA und die EU die staatlichen Einrichtungen der Palästinenser nicht mehr finanziell unterstützen würden?
Was immer droht, ist die Beendigung der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel. Das wird von den Palästinensern auch immer als Warnung vorgebracht. Das wäre schon einmal ein sehr schlechtes Zeichen. Ein krasses Szenario wäre, wenn die ganze palästinensische Behörde zusammenbricht oder sich selbst auflöst. Das würde heissen: Wenn der Oslo-Prozess wirklich tot ist, wie die Palästinenser sagen, gibt es auch die Palästinenserbehörde nicht mehr, die im Laufe dieses Prozesses geschaffen wurde.
Europas Botschaft an die Palästinenser ist wichtig: Spielt nicht mit dem Feuer!
Das würde bedeuten, dass die ganze Verantwortung für diese Gebiete an Israel zurückgehen würde. Für Israel wäre das eine furchtbare Last. Das Land wäre dann quasi wieder für jedes palästinensische Schulkind verantwortlich. Insofern ist auch Europas Botschaft an die Palästinenser wichtig: «Spielt nicht mit dem Feuer! Ihr sagt, Oslo ist aus, aber ihr müsst auf diesem Weg weitergehen.»
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.