Die USA schicken weitere 1000 Soldaten in den Nahen Osten – zu «Verteidigungszwecken». Hintergrund ist der eskalierende Konflikt mit Iran. Die USA machen das Land für die Angriffe auf zwei Öltanker im Golf von Oman am letzten Donnerstag verantwortlich.
Die beiden Tanker wurden in der Nähe der Strasse von Hormus angegriffen, einem Verkehrsknotenpunkt des Ölhandels – ein Fünftel des weltweit produzierten Öls passiert diese Meerenge. Fredy Gsteiger, Diplomatischer Korrespondent von SRF, rechnet vorderhand nicht mit Kriegshandlungen – zumindest nicht im klassischen Sinn.
SRF News: Die USA schicken weitere 1000 Soldaten in den Nahen Osten, ist das eine Art Kriegvorbereitung?
Fredy Gsteiger: Im Moment wohl nicht. Ein solcher Schritt erhöht das Risiko eines Krieges aber ein Stück weit, egal von welcher Partei er unternommen wird. Es handelt sich allerdings nicht um Kampftruppen. Es geht darum, amerikanische Einrichtungen in der Region zu schützen, höchstwahrscheinlich auch Öltanker und Frachtschiffe. Es sind Leute dabei, die sich vor allem um Aufklärung und Überwachung kümmern sollen.
Nüchtern betrachtet haben weder Washington noch Teheran ein Interesse an einem Krieg – auch wenn Nüchternheit nicht immer siegt.
Schliesslich sind 1000 Soldaten relativ wenig im Vergleich zun den bestehenden Truppenkontingenten der Amerikaner in der Region: In Katar stehen etwa 11'000 Soldaten; in Bahrain, wo die Fünfte Flotte stationiert ist, 8000; in Kuwait sind es gegen 10'000 Soldaten und auch im Irak Tausende. Die aktuelle Entsendung macht also nicht den Unterschied zwischen normalen Zeiten und Kriegszeiten aus.
Ein Krieg zwischen den USA und Iran ist also immer noch unwahrscheinlich?
Befürchten muss man es. Die wahrscheinlichste Variante ist es aber nicht. Nüchtern betrachtet haben weder Washington noch Teheran ein Interesse an einem Krieg – auch wenn Nüchternheit nicht immer obsiegt. Offenkundig sehen die US-Militärs – das Pentagon – einen solchen Krieg mit höchster Skepsis. Auf der anderen Seite treten Leute wie Trumps Sicherheitsberater John Bolton eher für einen Krieg ein. Zudem werden Kriege oft nicht bewusst begonnen. Teils kann man sich in einen Krieg hineinsteigern oder geradezu hineinstolpern.
Bilder und Videos lassen sich immer raffinierter fälschen. Es ist klar, dass die Amerikaner die Mittel hätten, um das zu tun.
Schliesslich stellt sich die Frage, was ein Krieg überhaupt ist: Eine offene Feldschlacht wie seinerzeit beim Sturz von Saddam Hussein im Irak ist nicht die wahrscheinlichste Variante. Viel wahrscheinlicher sind asymmetrische Kriegshandlungen, also terrorähnliche Aktionen, etwa über die von Iran abhängigen Houthi-Rebellen im Jemen oder die Hisbollah im Libanon. Solche Handlungen gibt es bereits. Insofern ist die Situation fast schon kriegsähnlich. Der Iran hat relativ viele Mittel in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens, solche Nadelstiche zu setzen. Er kann vielerorts den Hebel ansetzen, um die Lage in kleinen Schritten eskalieren zu lassen.
Die USA legen nun erneut Bilder vor, die beweisen sollen, dass Iran dahinter steckt. Wie sind diese einzuschätzen?
Für uns als Aussenstehende sind die Bilder sehr schwer zu beurteilen. Das war schon letzte Woche so, als die Amerikaner ein Video lancierten, das dasselbe beweisen sollte. Bilder und Videos lassen sich immer raffinierter fälschen. Es ist klar, dass die Amerikaner die Mittel hätten, um das zu tun.
Ein gutes Mittel für unsere Urteilsbildung ist die Reaktion der Europäer, die über eigene Geheimdienste und Informationen verfügen. Im Moment trauen sie den amerikanischen Informationen noch nicht. Zumindest nicht so weit, dass sie selber klar sagen würden, der Iran stecke zweifelsfrei hinter den Angriffen.
Das Gespräch führte Roger Aebli.