US-Präsident Joe Biden sagte gegenüber CNN, sein Land werde bestimmte Waffen nicht mehr an Israel liefern, wenn das Land eine Grossoffensive in Rafah startet. Die USA sind der wichtigste militärische Partner Israels. Wie ist Bidens Ankündigung einzuschätzen? Der israelische Sicherheitsexperte Eldad Shavit nimmt gegenüber SRF Stellung.
SRF News: Die USA sind der wichtigste Waffenlieferant Israels. Was bedeutet Bidens Ankündigung für die Sicherheit des Landes?
Eldad Shavit: Der Support der USA ist eine der Hauptsäulen der nationalen Sicherheit Israels. Einerseits durch die Lieferung von Waffen und Waffensystemen, andererseits aber auch durch die politische Unterstützung, welche wir von den USA erhalten. Militärisch bedeutet die Ankündigung: Wenn wir bestimmte Waffentypen nicht mehr erhalten, können wir diese auch nicht mehr einsetzen. Die politische Auswirkung kann sein, dass unsere Feinde sehen, dass es einen Disput zwischen den USA und Israel gibt. Das schadet der nationalen Sicherheit Israels und ist schlecht fürs Land. Die Koordination mit den Amerikanern ist wichtig für Israel – nicht nur beim Kampf gegen die Hamas, sondern auch, wenn es um die Hisbollah oder den Iran geht.
Trotzdem nun die sehr deutlichen Worte Bidens an die Adresse Israels. Wie schätzen Sie Bidens Drohung ein?
Sie kam auf jeden Fall nicht überraschend. Bereits seit Wochen sagen die USA, dass sie gegen eine Grossoffensive in Rafah sind, solange es keinen brauchbaren Plan für die Umsiedelung der Zivilbevölkerung gibt. Den Amerikanern ist klar, dass die militärischen Fähigkeiten der Hamas zerstört werden müssen. Aber ich denke, die Botschaft der Amerikaner an Israel ist, dass sie keine Angriffe mehr tolerieren wollen, welche unschuldige zivile Opfer fordern. Die US-Regierung will ausserdem, dass es möglichst bald zu einem Geiseldeal und einer mehrwöchigen Kampfpause kommt. Israel sollte eine politische Strategie für die Zeit nach dem Krieg präsentieren können.
Hat die israelische Regierung Bidens Botschaft verstanden?
Ja, Israel hat diese Botschaft verstanden. Persönlich denke ich, dass Israel keine grossangelegte Rafah-Operation ohne Koordination mit den Amerikanern starten wird. Alles andere wäre ein Desaster für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern und es würde auch die Möglichkeiten Israels, die Kriegsziele zu erreichen, schwächen.
Itamar Ben-Gvir, einer der extrem rechten Minister der aktuellen Regierung, schrieb heute auf X: «Hamas liebt Biden».
Es ist nicht im Interesse Israels, den Disput mit den Amerikanern öffentlich zu führen – schon gar nicht auf den sozialen Medien. Das ist vor allem ein Statement von Ben-Gvir an seine politische Basis. Das ist nicht die Art und Weise, wie man mit seinem wichtigsten Verbündeten umgehen sollte. Gewisse Minister sind aber der Ansicht, dass Israel nun eine Rafah-Offensive starten soll – auch wenn die USA dagegen sind.
Stellt Bidens Ankündigung einen Wendepunkt in den israelisch-amerikanischen Beziehungen dar?
Das hängt von Israel ab. Ich hoffe, dass Israel einen Weg finden wird, die guten strategischen Beziehungen, welche die beiden Länder seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 hatten, weiterzuführen. Wenn das nicht gelingt, kann das ein Wendepunkt in den Beziehungen sein.
Das Gespräch führten Anita Bünter und Jonas Bischoff.