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Vance-Besuch auf Arktisinsel Die Rückkehr des «US-Eiswurms» in Grönland

Abgelegener und nördlicher geht es fast nicht: Die «Pituffik Space Base» liegt 1500 Kilometer nordwestlich der grönländischen Hauptstadt Nuuk. Hier gilt – auf einem fast 700 Quadratkilometer grossen Gebiet – schon seit 75 Jahren amerikanisches Recht. Und hier landete am Freitagabend die Air Force 2 des amerikanischen US-Vizepräsidenten J.D. Vance.

Nach Grönland eingeladen hatte die Nummer Zwei im Weissen Haus niemand. Dieser nutzte seine kurze Visite zusammen mit seiner Frau Usha Vance und einer hochrangigen Delegation nichtsdestotrotz dazu, den Nato-Partner Dänemark, zu dem Grönland aussenpolitisch gehört, scharf zu kritisieren und als «schlechten Alliierten» zu bezeichnen.

Geheimes US-Projekt «Eiswurm» in den 1950er-Jahren

Dabei verbindet die USA und Dänemark sehr vieles, gerade wenn es um die Sicherheitspolitik geht. So gehörte Dänemark nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu den loyalsten Unterstützern der amerikanischen Vergeltungskriege im Irak und Afghanistan. Und auch in Grönland waren die beiden Länder lange enge Verbündete, immer wieder auch auf Kosten der Grönländerinnen und Grönländer selbst. 1951 erhielt Washington von Kopenhagen die Erlaubnis, hoch oben im heutigen Pituffik (damals Thule genannt) einen der grössten Militärstützpunkte ausserhalb der USA zu errichten.

Dabei wurde nicht gespart: Für die über 10'000 dort stationierten Militärs entstand eine gigantische Anlage, die sich nicht auf die Erdoberfläche beschränkte. Im Untergrund des nahen Inlandeises wurde unter dem Geheimcode «Eiswurm» an einem über 4000 Kilometer langen Tunnelsystem gebaut, das für bis zu 600 atomare Sprengköpfe ausgelegt war.

Erst nach einem Absturz eines B-52-Bombers mit Atomwaffen an Bord im Jahre 1968 wurde das Projekt eingestellt, für das Hunderte Grönländerinnen und Grönländer mit Gewalt umgesiedelt worden waren. Einige davon wurden später für die Aufräumaktion nach dem Flugzeugabsturz wieder engagiert, ohne sie über die Strahlengefahr zu informieren. Viele davon starben später an Krebs.

Grönland schliesst politisch die Reihen

Kein Wunder weckt der Vance-Besuch in Pituffik nicht nur bei der Inuit-Bevölkerung in der Region, sondern in ganz Grönland unschöne Erinnerungen. Doch im Unterschied zu den 1950er-Jahren, als Dänemark die frühere Kolonie Grönland kurzerhand annektierte, ist Grönland heute politisch und gesellschaftlich viel besser aufgestellt: Seit 1979 regiert sich das Land weitgehend selbst und strebt seither auf die staatliche Unabhängigkeit zu.

Person in Winterkleidung hebt Hand, Personen im Hintergrund.
Legende: US-Vizepräsident J.D. Vance bei seiner Ankunft auf der US-Basis Pituffik in Grönland. Jim Watson/Pool via REUTERS

Wenige Stunden vor der Landung Vances in Pituffik einigten sich vier der fünf im grönländischen Parlament vertretenen Parteien auf eine gemeinsame Regierung und einen neuen Ministerpräsidenten, den erst 33 Jahre alten Jens-Frederik Nielsen. Er gab Vance sogleich eine Antwort – und bezeichnete das amerikanische Vorgehen als «respektlos» und «inakzeptabel».

Grönland, das grosse Land mit der kleinen Bevölkerung im hohen Norden, wird zum Testfall der neuen Weltpolitik: Eine unfreundliche Übernahme Grönlands durch die USA hätte enorme Folgen für die Sicherheit und die Menschen in der Arktis. 

Bruno Kaufmann

Nordeuropa-Korrespondent

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Bruno Kaufmann berichtet seit 1990 regelmässig für SRF über den Norden Europas, von Grönland bis Litauen. Zudem wirkt er als globaler Demokratie-Korrespondent beim internationalen Dienst der SRG mit.

Info3, 28.03.2025, 17 Uhr

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