«Seit Jahrzehnten begeht die burmesische Armee Menschenrechtsverbrechen – vor allem gegen ethnische Minderheiten», sagt Laura Haigh von Amnesty International. «Doch bestraft dafür wurde kaum jemand. Die Täter wissen, dass sie davonkommen, wenn sie morden und vergewaltigen.» Gut 700'000 Rohingya sind letzten Sommer aus Myanmar nach Bangladesch geflohen.
Neun Monate hat die Menschenrechtsorganisation recherchiert. Über 400 Interviews mit Opfern, Augenzeugen, Diplomaten und Journalisten sind in die Auswertung mit eingeflossen. Nun fordert Amnesty in ihrem Bericht, die Täter wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der muslimischen Minderheit zur Rechenschaft zu ziehen.
«Die Soldaten schossen auf fliehende Dorfbewohner, zogen Frauen aus den Häusern und vergewaltigten sie, versammelten Männer und Knaben im Dorf und exekutierten sie, und brannten das ganze Dorf ab», erzählt Haigh.
Massgeblich verantwortlich für die Menschenrechtsverbrechen sind laut Amnesty-Bericht zwei Kampfeinheiten der burmesischen Armee, die bereits seit mehreren Jahren in den Minderheitengebieten von Kachin und Shan gewütet hätten. Die Gewalttaten sind längst bestens dokumentiert, die UNO spricht von einer ethnischen Säuberung. Dass sich die Täter vor dem Internationalen Strafgerichtshof ICC verantworten müssen, wie es Amnesty fordert, könnte schwierig werden.
Die Beweislage sei zwar klar, erklärt Kingsley Abbodd, Anwalt und Rechtsberater der Nichtregierungsorganisation International Commission of Jurists. «Das Problem ist jedoch, dass Myanmar dem Internationalen Strafgerichtshof nicht beigreten ist und die Täter deshalb nicht belangt werden können.»
Es gäbe durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zwar die Möglichkeit, die Täter vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Allerdings würde China einen solchen Entschluss mit grösster Wahrscheinlichkeit blockieren. In einem ersten Schritt fordert Amnesty deshalb, einzelne Vertreter des Militärs in Myanmar gezielt zu sanktionieren.
Solche Sanktionen gegen burmesische Generäle hat die EU bereits angekündigt. Im vergangenen Oktober hat sie den Besuch hochrangiger Militärs abgesagt – die Schweiz hingegen hatte die Delegation empfangen und zieht laut offiziellen Angaben auch weiterhin keine gezielten Sanktionen in Betracht. Für die vielen Opfer der vertriebenen Rohingya liegt Gerechtigkeit in weiter Ferne.