- In Österreich haben Ermittler das Kanzleramt, Teile des Finanzministeriums und die Zentrale der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) durchsucht.
- Das bestätigt die Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt gegen den Bundeskanzler Sebastian Kurz und neun weitere Beschuldigte wegen Verdachts auf Untreue und Bestechung.
- Die Opposition fordert den Rücktritt des Kanzlers.
Gemäss einer Medienmitteilung der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKSTA) stehen die Durchsuchungen im Zusammenhang mit Zahlungen, die mutmasslich für geschönte Umfragen geleistet wurden, welche «im redaktionellen Teil einer österreichischen Tageszeitung und anderen zu dieser Gruppe gehörenden Medien veröffentlicht» wurden.
Es wird dem Verdacht nachgegangen, dass zwischen 2016 und zumindest 2018 Gelder des Finanzministeriums zur Finanzierung von parteipolitisch motivierten und mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsinstituts verwendet wurden.
Kurz war bis 2017 Aussenminister, bevor er im Mai 2017 das Ruder bei der ÖVP übernahm. Bei den Neuwahlen im Oktober 2017 ging die Volkspartei als stärkste Kraft hervor und Kurz wurde Bundeskanzler.
ÖVP und Kurz dementieren
Laut der Behörde besteht weiter der Verdacht, dass im Gegenzug von den Amtsträgern im Rahmen von Medien- und Inseratekooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet worden seien. Die im Zuge der Hausdurchsuchungen sichergestellten Beweismittel würden nun gesichtet und ausgewertet. Laut der Zeitung «Der Standard» geht es um eine Inserate- und Medienkooperations-Vereinbarung im Volumen von 1.3 Millionen Euro.
Die ÖVP und das Medienunternehmen Österreich, um das es Medienberichten zufolge geht, dementierten die Vorwürfe vehement.
Regierungskrise scheint wahrscheinlich
Eine Regierungskrise scheint nun wahrscheinlich. Die Grünen, als Partner der ÖVP seit Januar 2020 mit in der Koalition, hatten stets betont, dass mit ihnen nur eine «saubere Politik» möglich sei. Vorläufig zeigten sie sich aber zurückhaltend mit Kritik an Kurz: «Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Die macht ihre Arbeit ohne Ansehen der Personen. Wir werden sehen, wie es weitergeht», sagte die Fraktionschefin der Grünen Sigrid Maurer.
Wir sind heute Zeugen eines doch sehr ungewöhnlichen und schwerwiegenden Vorgangs geworden
Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich am Rande einer Festveranstaltung zu Wort. «Wir sind heute Zeugen eines doch sehr ungewöhnlichen und schwerwiegenden Vorgangs geworden», sagte er in Bezug auf die Razzien. Es sei Aufgabe der Staatsanwaltschaften, Verdachtsmomenten unabhängig vom Ansehen der Personen nachzugehen. Momentan wisse man nur, dass es Ermittlungen gebe.
Opposition fordert Rücktritt
Österreichs Oppositionsparteien drängen nun auf eine Sondersitzung des Nationalrates. Kurz müsse sich auch vor dem Parlament und der Öffentlichkeit verantworten, wird der stellvertretende SPÖ-Fraktionschef Jörg Leichtfried in einer gemeinsamen Mitteilung von SPÖ, FPÖ und Neos zitiert.
«Wenn die Regierung und offensichtlich auch der Bundespräsident handlungsunfähig sind, muss das Parlament die Notbremse ziehen. Der Rücktritt des Bundeskanzlers ist angesichts der aktuellen Entwicklungen unausweichlich», sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Sollte Kurz nicht von sich aus die Konsequenz ziehen, will die FPÖ einen Misstrauensantrag einbringen. Auch die Oppositionspartei Neos forderte Kurz zum Rücktritt auf.