In Deutschland wird debattiert, ob die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden soll oder nicht. Dies, weil sich einige Politikerinnen und Politiker der rechtspopulistischen Partei an fremdenfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz beteiligt haben. Für Frank Jansen, Journalist beim «Tagesspiegel», ist so eine pauschale Beobachtung eher unwahrscheinlich.
SRF News: Einzelne Politiker, die an einer fremdenfeindlichen Demonstration teilnehmen – reicht das, um eine ganze Partei vom deutschen Verfassungsschutz beobachten zu lassen?
Frank Jansen: Nein, das ist natürlich nicht Grund genug. Aber wir erleben bei der AfD, dass sich die Partei insgesamt immer stärker in Richtung Rechtsaussen entwickelt. Das fängt schon bei den Vorsitzenden an. Alexander Gauland, Bundessprecher der AfD, hat vor kurzem die Nazizeit in Deutschland als einen «Vogelschiss der deutschen Geschichte» bezeichnet. Wer die Nazizeit derart verharmlost, muss sich natürlich schon fragen lassen, ob er wirklich noch auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.
Es gibt in Teilen der Partei eine Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung. Diese steht unter Verdacht, rechtsextremistisch zu sein.
Es gibt in Teilen der Partei auch eine Zusammenarbeit mit der Identitären Bewegung. Diese steht zumindest unter Verdacht, rechtsextremistisch zu sein, und sie wird auch in den Verfassungsschutz-Jahresberichten erwähnt. Ausserdem wurden bereits einzelne Politiker der AfD vom Verfassungsschutz beobachtet. Das betraf beispielsweise den Chef der bayerischen AfD, Petr Bystron. Dies, weil er sich mit seiner Islamfeindlichkeit und seinen Verbindungen zu den Identitären sehr weit nach rechts aussen bewegt hat. Die Beobachtung ist allerdings eingestellt worden, als er in den Bundestag gewählt wurde. Dort gelten höhere Hürden für eine Beobachtung.
Was für Bedingungen müssten erfüllt sein, damit der Verfassungsschutz eine ganze Partei, in dem Fall die ganze AfD beobachten könnte?
Um eine ganze Partei zu beobachten, wäre es notwendig, dass sich das komplette Spitzenpersonal – also die Vorstände – in Richtung Rechtsextremismus bewegen und sich eindeutig rechtsextrem positionieren. Es wäre auch notwendig, dass Rechtsextremisten, die von aussen in die Partei kommen, die innerparteiliche Macht erobern würden. Es wäre notwendig, dass Parteiprogramme vorliegen, in denen ganz klar das Grundgesetz attackiert wird. Um ehrlich zu sein, so weit ist es bei der AfD in der Gesamtheit nicht.
Es kommt zwar einiges an Verdachtsmomenten zusammen. Aber nach meinem Eindruck reicht es nicht, um die gesamte Partei unter Beobachtung zu stellen.
Es kommt zwar einiges an Verdachtsmomenten zusammen. Aber nach meinem Eindruck reicht es nicht, um die gesamte Partei unter Beobachtung zu stellen. Bei einigen Zusammenschlüssen an Personen oder auch bei einigen Landesverbänden der AfD hingegen schon. Da habe ich den Eindruck, dass sie nah dran sind, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden.
Sie sagen dafür, die ganze Partei zu beobachten, reicht es wahrscheinlich nicht. Das heisst, diese Forderung finden Sie absurd?
Nein. Aber die Demokratie muss natürlich einiges aushalten, auch kritische, polemische und radikale Positionen. Der Verfassungsschutz ist nicht der Knüppel, mit dem andere Parteien einen Konkurrenten tot machen können. Das ist nicht die Aufgabe des Verfassungsschutzes in Deutschland.
Es gibt eben auch Leute, die doch immer noch eher national-konservative Positionen vertreten, wie das auch bei der SVP in der Schweiz der Fall ist.
Der Verfassungsschutz hat ganz klar die Aufgabe, Bewegungen, Parteien und Organisationen unter die Lupe zu nehmen, die sich glasklar gegen unsere Verfassung, gegen das Grundgesetz und gegen die demokratischen Werte wenden. Und da gibt es bei der AfD Unterschiede. Es gibt Leute, bei denen man davon ausgehen muss, dass sie das tun; die auch keine Berührungsängste zu Rechtsextremisten haben. Aber es gibt eben auch Leute, die doch immer noch eher national-konservative Positionen vertreten, wie das auch bei der SVP in der Schweiz der Fall ist. Und da wäre ich doch vorsichtig mit der Forderung, dass der Verfassungsschutz die nun gleich unter Beobachtung nehmen soll.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.