Die Katastrophe: In Brasilien wüten derzeit die schwersten Waldbrände seit Jahren. Seit Januar nahmen die Feuer und Brandrodungen im grössten Land Südamerikas im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zu, wie die Zeitung «Folha de S. Paulo» berichtete. Insgesamt wurden demnach 72'843 Brände registriert. In den meisten Fällen waren Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch in Naturschutzgebieten und indigenen Ländereien brechen immer wieder Feuer aus.
Die Zahlen: Unter dem ultrarechten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro hat sich die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes massiv beschleunigt. Allein im Juli war die Fläche des zerstörten Waldes nach offiziellen Angaben um fast das Vierfache höher als im gleichen Monat des Vorjahres. Die Zahl der Waldbrände in Brasilien ist drastisch gestiegen. Das staatliche brasilianische Weltraumforschungsinstitut INPE gab an, zwischen Januar und August habe es 72'843 Waldbrände gegeben. Im gesamten Jahr 2018 waren es 39'759.
Die Vorwürfe: Bolsonaro hatte zuletzt nahe gelegt, Umweltschützer hätten die Brände gelegt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und seine Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken. Naturschützer hingegen gehen davon aus, dass Farmer mit den Feuern neue Weideflächen erschliessen. Sie könnten sich von Bolsonaro ermutigt fühlen, der sich für den Regenwald vor allem wegen dessen ungenutzten wirtschaftlichen Potenzials interessiert. Bolsonaro ist Klimaskeptiker und Freund der Agrarindustrie, die neue Flächen für den Anbau von Soja und die Rinderzucht benötigt.
Die Tätersuche: Brasilianische Staatsanwälte wollen wegen der Brände Ermittlungen einleiten. Angesichts der zunehmenden Zerstörung des Urwaldes gehe es darum zu untersuchen, ob der Umweltschutz vernachlässigt worden sei, teilte die Strafverfolgungsbehörde mit. Weiter will die Staatsanwaltschaft nun die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen. «Für die Bundesstaatsanwaltschaft ist die Bekämpfung der illegalen Entwaldung Staatsräson und keine spezifische Regierungspolitik», hiess es in der Mitteilung der Ermittler. «Der Kampf gegen Abholzung und Brandrodung ist keine Handlungsoption der öffentlichen Hand. Es ist ihre Pflicht.»
Der Aufschrei: Die neusten Brände haben weltweit für Empörung gesorgt. Unter dem Hashtag #prayforamazonia finden sich auf dem Mitteilungsdienst Instagram bereits über 160'000 Einträge. Die von der schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg initiierte Klimaschutzbewegung «Fridays for Future» rief für Freitag zu Demonstrationen vor brasilianischen Botschaften und Konsulaten unter dem Motto «SOS Amazonas» auf. Zuletzt sorgten spektakuläre, aber veraltete Bilder von vergangenen Bränden für Verwirrung. Ein Foto, welches unter anderem Macron, Schauspieler Leonardo die Caprio oder auch Cédric Wermuth aktuell posteten, zeigt tatsächlich nicht die aktuellen Brände und ist schon Jahre alt. Es stammt vom amerikanischen Fotografen Loren McIntyre, der bereits 2003 starb.
Die internationale Besorgnis: Die Vereinten Nationen betonen die Bedeutung intakter Wälder. «Der Erhalt des Waldes ist für unseren Kampf gegen den Klimawandel von entscheidender Bedeutung», sagte der Sprecher von UNO-Generalsekretär António Guterres, Stephane Dujarric. Die Vereinten Nationen seien besorgt über die Lage in dem Gebiet und die bereits verursachten Schäden. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zuvor auf Twitter seine Sorgen wegen der Feuer zum Ausdruck gebracht. Er hatte angekündigt, das Thema auf die Agenda des Gipfels der führenden Industrienationen in Biarritz zu setzen. «Unser Haus brennt. Wortwörtlich», schrieb Macron auf Twitter zu einem Foto des brennenden Regenwalds. Die Brände bedeuteten eine internationale Krise, erklärte Macron. Er rief die Regierungschefs der G7-Länder auf, «diesen Notfall» als ersten Punkt beim Gipfeltreffen ab Samstag zu besprechen.
Macron kündigte an das Freihandels-Abkommen mit den Mercosur-Staaten - dem südamerikanischen Wirtschafts-Block – auf Eis zu legen. Irland schliesst sich dieser Drohung an. Laut dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar wird die grüne Insel den Deal blockieren, sollte Brasilien seine Klimaversprechen nicht einhalten. Finnland schlug vor, dass die EU die Möglichkeit eines Verbots brasilianischerRindfleisch-Importe prüfen solle.
Der Konter: Bolsonaro verbittet sich internationale Einmischung – und schiesst scharf. Die Länder, die Geld an Brasilien zahlten, schickten es nicht aus Grosszügigkeit, sagte er in einem Facebook-Eintrag: «Sie schicken es mit dem Ziel, unsere Souveränität zu beschneiden.» Bolsonaro kritisierte Macron zudem wegen dessen Äusserungen zu den Amazonas-Waldbränden scharf. Er warf Macron eine «kolonialistische Mentalität» vor. Macron wolle beim G7-Gipfel in Biarritz über die Feuer sprechen, ohne dass die Länder der Amazonas-Region dabei seien. Der Brasilianer beschuldigte Macron zudem, eine «innere» Angelegenheit Brasiliens und anderer Staaten im Amazonasgebiet «instrumentalisieren» zu wollen, um «persönlichen politischen Profit» daraus zu schlagen. Macrons «sensationsgieriger Ton» trage nicht zur Lösung des Problems bei, schrieb Bolsonaro.