- Kurz vor dem Beginn des EU-Sondergipfels gibt es kaum noch Zweifel, dass der Termin für den britischen Austritt noch einmal um weitere Monate verschoben wird.
- Unklar bleibt, wie lange – und unter welchen Bedingungen.
- Das britische Parlament hatte zuvor der Bitte von Premierministerin May um eine erneute Verlängerung der Brexit-Frist bis zum 30. Juni zugestimmt.
- Derzeit ist die ungeordnete Scheidung Grossbritanniens von der Europäischen Union für diesen Freitag vorgesehen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen heute Mittwochabend
zu einem Sondergipfel zusammen. Bei einem Vorbereitungstreffen der EU-Botschafter sprach sich zuvor eine Mehrheit der Mitgliedstaaten dafür aus, den Briten einen Aufschub anzubieten – und zwar bis Ende Jahr oder sogar bis zum 1. März 2020.
Lediglich Frankreich soll sich demnach noch skeptisch geäussert haben. Paris pocht bei einem Aufschub darauf, dass das gute Funktionieren der EU nicht gestört wird.
Vorschlag: Flexible Verlängerung
Die Idee einer komfortablen Verlängerung stammt von EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er hatte vor dem Sondergipfel einen flexiblen Aufschub von bis zu einem Jahr vorgeschlagen, der auch früher enden könnte, wenn Grossbritannien einen Deal mit Brüssel ratifziert. Eine kurze Brexit-Verschiebung berge das Risiko immer neuer Sondergipfel und immer neuer Fristen, schrieb Tusk im Einladungsschreiben zum Gipfel. Dies würde fast sicher die restliche Arbeit der EU in den kommenden Monaten überschatten.
Die britische Premierministerin Theresa May will dagegen heute dafür werben, dass ihr Vorschlag auf eine Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. Juni akzeptiert wird.
Aufschub nicht ohne Vorbehalte
Als sicher gilt nach dem rund dreistündigen Gipfel-Vorbereitungstreffen, dass eine Verlängerung der Austrittsfrist von EU-Seite an klare Bedingungen geknüpft wird. So werden die Briten zum Beispiel an der Europawahl vom 23. bis 26. Mai teilnehmen müssen. Dies soll sicherstellen, dass es keine rechtlichen Schwierigkeiten gibt, wenn Grossbritannien im Sommer noch EU-Mitglied sein sollte, aber keine Abgeordneten gewählt hat.
Zudem wollen die Mitgliedstaaten erreichen, dass sich die britische Regierung verpflichtet, nicht mehr aktiv in EU-Entscheidungen einzugreifen. Dies könnte zum Beispiel bei der Ernennung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten oder den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis Ende 2027 relevant werden.
May auf Verschiebungs-Tournee
Im Vorfeld war die britische Premierministerin Theresa May am Dienstag nach Berlin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel und anschliessend nach Paris gereist, wo sie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron traf. Bei beiden warb sie um eine Brexit-Verschiebung.
Dreifaches Nein zu Brexit-Deal
Eigentlich hatte May sich mit der EU bereits auf die Brexit-Bedingungen geeinigt. Festgehalten ist dies in einem Austrittsvertrag. Das britische Parlament lehnte diesen allerdings bereits drei Mal ab. Der Deal stösst auf breiten Widerstand, auch bei Hardlinern in Mays eigener Partei.
Seit vergangener Woche versucht die Premierministerin deshalb, mit Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn einen Kompromiss zu finden, damit sich im Parlament doch noch eine Mehrheit für eine Regelung findet, die einen geregelten Ausstieg ermöglicht.