Viele Suizide bei Jungen: In Südkorea haben sich in den letzten drei Jahren fast 40’000 Menschen das Leben genommen. Das zeigen die neusten Zahlen des Gesundheitsministeriums. Damit starben in Südkorea mehr Menschen an Suizid als an den Folgen einer Corona-Infektion. Auffallend ist: Während die Suizidrate im Land insgesamt stagniert, steigt sie bei jungen Menschen an.
Suizid als Ausweg: Laut Experten zerbrechen viele jüngere Menschen an einem grossen sozialen Widerspruch: Auf der einen Seite gibt es einen hohen Erwartungsdruck der Familie auf eine berufliche Karriere, andererseits verlangt die sehr konservative Gesellschaft, dass sich die jungen Leute unterordnen, anpassen und nicht von der Norm abweichen. Und: «In Südkorea gilt Suizid als sozial erlaubter Ausweg aus einer persönlichen Verzweiflungssituation», sagt der in Tokio lebende Journalist Martin Fritz.
Frauen betroffen: Zwar ist die Rate der jungen Frauen, die sich das Leben nehmen, in Südkorea immer noch kleiner als der Anteil bei den jungen Männern. Allerdings nimmt die Zahl bei den jungen Frauen zu. «Bei ihnen ist der Leistungsdruck noch höher als bei den jungen Männern», stellt Martin Fritz fest. «Die Frauen sollen makellos schön sein und Kinder bekommen – gleichzeitig sollen sie aber auch Karriere machen.» Wer sich gegen dieses Ideal stellt, wird in den sozialen Medien mit Hass überschüttet und gemobbt. Das treibe manche junge Frau in den Tod, so der Journalist.
In Südkorea ist das Krisenbewusstsein leider immer noch nicht gross genug, etwas zu unternehmen.
Hohe Erwartungen: Südkorea hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr schnell zu einem reichen Industrieland entwickelt – dank der extrem hart arbeitenden Menschen. Diese sind heute Senioren – und verlangen nun von den jungen Südkoreanerinnen und Südkoreanern, dass diese sich gleich stark anstrengen in Schule und Ausbildung wie sie damals. «Doch diese Anstrengungen garantieren heute keine gute Anstellung mehr», sagt Fritz.
Politische Forderungen: Die südkoreanische Regierung solle mehr tun gegen die bedenkliche Entwicklung, was die Suizide im Land angeht, verlangen Expertinnen und Experten. Für den Journalisten Fritz sollte das Land den Weg Japans gehen und viel mehr Hotlines oder Therapieplätze für depressive Menschen anbieten, die Zahl der Überstunden beschränken und den Stress der Menschen in den Konzernen regelmässig messen lassen. Doch: «In Südkorea ist das Krisenbewusstsein leider immer noch nicht gross genug, etwas zu unternehmen», so Fritz.