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Verschärfte Exportkontrollen Die EU sagt dem Impfnationalismus den Kampf an

Musterknabe Schweiz, Sorgenkind Grossbritannien: Brüssel zieht in der Impfdiplomatie härtere Saiten auf.

In der Theorie sind sich alle einig: Eine Pandemie lässt sich nur gemeinsam besiegen. Denn dem Virus sind Landesgrenzen egal. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass sich die Länder vor allem bei der Verteilung von Impfstoffen oft nicht solidarisch verhalten.

Die EU führte deshalb Exportkontrollen ein. Firmen, die Impfstoffe in der EU herstellen, wurden so gezwungen, ihre Lieferungen an Nicht-EU-Staaten offenzulegen. Die Kontrollen richteten sich vor allem an Astra-Zeneca. Der schwedisch-britische Pharmakonzern hatte Bestellungen aus Brüssel storniert. Die EU witterte Vertragsbruch.

Null Dosen aus Grossbritannien

Nun hat die EU-Kommission mitgeteilt, die Exportkontrollen für Impfstoffe würden noch einmal verschärft – nur sieben Wochen nach deren Einführung am 1. Februar. Der verbreitete Impfnationalismus stosse vielen in der EU auf, berichtet SRF-Korrespondent Charles Liebherr aus Brüssel.

In Zahlen: 380 Mal bewilligte die EU in den letzten zwei Monaten Exporte an Drittstaaten. Einmal sprach sie ein Verbot aus. «Das Problem zeigt sich exemplarisch bei Grossbritannien: Die EU exportierte seit dem 1. Februar elf Millionen Ampullen auf die Insel, Null Dosen gelangten vom Vereinigten Königreich in die EU», so Liebherr.

Wir müssen schnelle und ausreichende Lieferungen an die EU-Bürger sicherstellen. Jeder Tag zählt.
Autor: Ursula von der Leyen EU-Kommissionschefin

Künftig können nun Impfstoffausfuhren in Staaten untersagt werden, die selbst keine Impfstoffe oder Rohstoffe aus dem Land lassen. Ziel seien nicht Exportverbote, sondern eine faire Versorgung der EU, sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen. «Wir müssen schnelle und ausreichende Lieferungen an die EU-Bürger sicherstellen. Jeder Tag zählt.»

«Verhältnismässigkeit und Gegenseitigkeit sind die beiden Stichworte», erklärt Liebherr. Konkret: Die Pandemie-Situation, darunter der Anteil Geimpfter oder die aktuellen Infektionszahlen, können von der EU berücksichtigt werden; zudem kann beim Exportentscheid eine Rolle spielen, wie ein Drittstaat mit der EU kooperiert.

Im Bild: Der britische Premier Boris Johnson mit einer Astra-Zeneca-Ampulle.
Legende: Das Mehr an Transparenz habe schon korrigierend eingewirkt, indem Astra-Zeneca weniger Impfstoff aus EU-Staaten nach Grossbritannien geliefert habe, sagt Liebherr. Im Bild: Der britische Premier Boris Johnson mit einer Astra-Zeneca-Ampulle. Keystone

Die EU will mit der Massnahme mangelndes Entgegenkommen von Drittstaaten korrigieren können. Das werde wohl aber gar nicht nötig sein, glaubt Liebherr: «Denn, wie die EU-Kommission heute auch festhielt, liefern die Pharmafirmen erstaunlicherweise seit dem 1. Februar ziemlich genau das, was sie versprochen haben.»

Verwirrung um Impfdosen in Italien

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Astra-Zeneca lagert in Italien 29 Millionen Dosen Corona-Impfstoff: Weil der Konzern mit seinen vertraglich zugesicherten Lieferungen an die EU massiv im Rückstand ist und Impfstoff in der EU überall fehlt, sorgte die Nachricht für erheblichen Wirbel. Das Unternehmen versuchte schliesslich, die Sache aufzuklären.

Zumindest ein Teil des Impfstoffs – 16 Millionen Dosen – solle in den nächsten Wochen an die EU geliefert werden, man warte auf die Freigabe durch die Qualitätskontrolle. Die übrigen 13 Millionen Dosen sollten an die Initiative Covax gehen, die Impfstoffe in ärmere Länder bringt.

London verkündete derweil, dass im April deutlich weniger Impfstoff zur Verfügung stehen soll. Liebherr rechnet damit, dass der Impfstreit zwischen der EU und Grossbritannien weiter eskalieren könnte.

Ein Drittstaat aus Sicht der EU ist auch die Schweiz, die durch die Produktion des Moderna-Impfstoffs in der Lonza in Visp, eine prominente Rolle in der Pandemiebekämpfung einnimmt. Neu müssen alle Zulieferfirmen der Lonza eine Bewilligung bei der EU-Kommission einholen, damit sie ihre Substanzen ins Wallis liefern können.

Lonza-Gelände in Visp
Legende: Vom Lonza-Werk in Visp geht der Moderna-Impfstoff nach Spanien, um von dort verpackt und ausgeliefert zu werden. Keystone

Probleme sollte das aber nicht bereiten, betonte die EU-Kommission. «Sie nannte die Schweiz heute ausdrücklich als gutes Beispiel, warum die Exportkontrollen eben nicht Exportverbote seien – denn die Produktion des Moderna-Impfstoffes beruhe auf der angesprochenen Gegenseitigkeit», schliesst Liebherr. Mit grösserem bürokratischem Aufwand sei aber zu rechnen.

Echo der Zeit, 24.03.2021, 18 Uhr ; 

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