London, sonnig bei 28 Grad. Am Ufer der Themse im Südwesten von London lachen Kinder. Hunde hecheln und Erwachsene schwitzen. Doch der kühlende Fluss bleibt leer. «Baden verboten», ist auf einem Schild zu lesen.
Wenn es Jill und Liz gelegentlich trotzdem wagen, wird es oft ziemlich unappetitlich. «Wenn die Wasserwerke ihre Überlaufrohre öffnen, schwimmen im Fluss Fäkalien. Am Gebüsch am Ufer bleibt Toilettenpapier hängen. Es riecht nach Kanalisation.»
Ein Bad in einem englischen Fluss kann krank machen. Im vergangenen Jahr haben die britischen Wasserwerke 300'000 Mal ungeklärtes Abwasser in Flüsse geleitet – über 800 Mal pro Tag. Selbst dort, wo die Gewässerschutz-Gesetze gemacht werden.
«Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Euch bewusst, dass gleich neben dem Parlamentsgebäude regelmässig ungeklärtes Abwasser in die Themse geleitet wird», fragte etwa Labour-Schatten-Umweltminister Jim McMahon kürzlich im Parlament. Die Verschmutzung der Flüsse sei ein Skandal, aber ebenso symbolisch für das Versagen der konservativen Regierung.
Wir sollten den Umweltschutz höher gewichten als privates Gewinnstreben.
Dass nach starken Regenfällen Abwasser in die Themse fliesst, liegt am Kanalisationssystem, das noch aus der viktorianischen Zeit stammt. Regen- und Toilettenwasser fliessen in die gleichen Rohre. Diese sind jedoch längst zu klein.
Die Wasserwerke wurden 1989 privatisiert und haben den Ausbau während Jahren vernachlässigt. Damit das Abwasser bei starkem Regen nicht in die Häuser zurückstaut, wird es in die Flüsse geleitet.
Es sei eine Schande, sagte die Grüne Unterhaus-Abgeordnete Caroline Lucas gegenüber der BBC: «Seit Jahrzehnten haben private Wasserfirmen in diesem Land ein Monopol, machen Gewinne und investieren nichts. Der Service, den sie der Bevölkerung bieten, ist miserabel. Gleichzeitig kassieren Leute in den Chefetagen Saläre in Millionenhöhe. Wir sollten den Umweltschutz höher gewichten als privates Gewinnstreben.»
80 Prozent der Flüsse stark verschmutzt
Die Regierung hat ihre regulatorische Aufsichtspflicht über Jahre vernachlässigt: 80 Prozent der englischen Flüsse gelten als stark verschmutzt. Baden ist mittlerweile selbst an einigen Orten an der englischen Küste verboten. Ein Jahr vor den nächsten Wahlen könnte diese unappetitliche Geschichte die Wählergunst für die Konservativen kontaminieren.
Wohl nicht ganz zufällig überraschte die Vorsitzende der Wasserfirmen Ruth Kelly die britische Bevölkerung Mitte Mai mit folgender Ankündigung: «Wir möchten uns in aller Form bei der Bevölkerung entschuldigen. Wir verstehen, dass die Leute verärgert sind. Die Wasserindustrie ist fest entschlossen, dies in Ordnung zu bringen. Wir wollen in den nächsten Jahren zwölf Milliarden Franken in die Sanierung der Abwasserinfrastruktur investieren.»
Weil wir vor den Wahlen stehen und die Leute buchstäblich die Nase voll haben, versucht man das weisszuwaschen.
Bei den Leuten an der Themse in Richmond hinterlässt die Ankündigung eher Skepsis als Freude. «Die wissen doch seit Jahren, was sie tun. Diese Entschuldigung ist scheinheilig. Nur weil wir vor den Wahlen stehen und die Leute buchstäblich die Nase voll haben, versucht man das weisszuwaschen. Ich glaube ihnen kein Wort», meint ein älterer Herr.
Man kann dem Mann seine Skepsis nicht verübeln. Fachleute gehen davon aus, dass die Sanierung des Kanalisationsnetzes wohl eher 50 als zwölf Milliarden kosten wird. Die Wasserrechnungen der Britinnen und Briten sollen dafür in den kommenden Jahren gut ein Drittel höher ausfallen.
Doch eine Frage würde die britische Öffentlichkeit wohl zuvor noch interessieren: Weshalb sollen die Konsumentinnen und Konsumenten für die Unterlassungen der Wasserfirmen zur Kasse gebeten werden, wenn diese gleichzeitig allein im vergangenen Jahr an ihre Aktionäre Gewinne in der Höhe von rund 1.4 Milliarden Franken ausbezahlt haben?