«Schauen Sie, wir haben Sandwichs mit Truthahn, Salami, Schinken. Sie müssen einfach eins probieren», Pawlo Krischtalski steht vor einem ehemaligen Wohnwagen im ukrainischen Lemberg und strahlt vor Freude.
Er und sein Kollege Wolodimir Kinasch haben den Wagen eigenhändig umgebaut - zur Sandwichbar. Das Gefährt steht jetzt an einem grossen Boulevard, unweit von Top-Sehenswürdigkeiten der westukrainischen Stadt. Auch eine Universität ist ganz in der Nähe. An Kundschaft also sollte es nicht fehlen.
Gemeinsam an der Front
Die beiden Neo-Unternehmer teilen jedoch nicht nur die Begeisterung für ihre Sandwiches: Sie haben zusammen an der Front im Osten gekämpft. Kinasch war Koch, Krischtalski Verkäufer, als der Staat sie einzog und in den Krieg schickte.
Die beiden erinnern sich: «Wir haben zusammen in einem Militärspital gedient, waren aber auch viel im Feld. Es gab viele Verletzte damals.» Mehr möchten sie nicht erzählen: «Wir versuchen, die schlechten Erfahrungen zu vergessen. Das Leben geht weiter», so die Veteranen.
Doch die Rückkehr ins zivile Leben war und ist schwierig. Sie hätten sich «nicht zurechtgefunden», sagen sie. Vor allem eine passende Arbeit zu finden war ein Problem. Krischtalski drückt es so aus: «Nach dem Krieg schätzt Du die Zeit, die Du hast, viel mehr. Du weisst, das Leben kann jederzeit zu Ende sein. Deswegen möchtest Du auch nicht mehr für jemanden arbeiten, sondern nur noch für Dich.»
Nach dem Krieg schätzt Du die Zeit, die Du hast, viel mehr.
Die Sandwich-Bar soll den beiden Ex-Kameraden nun bringen, was sie auf den Schlachtfeldern im Osten verloren haben: einen Sinn und innere Ruhe.
Schwierige Heimkehr
Krischtalski und Kinasch sind nicht die einzigen Veteranen, die Mühe haben bei der Rückkehr vom Krieg. Irina Dumych von der Nichtregierungsorganisation «Arbeit für freie Menschen» kennt das Problem: «Veteranen wissen, wie man im Krieg überlebt, aber sie haben verlernt, wie das zivile Leben funktioniert.»
«Arbeit für freie Menschen» wird unter anderem von der EU unterstützt. Die NGO bietet für betroffene Kriegsheimkehrer Weiterbildungskurse und psychologische Hilfe an. Zurzeit drücken rund 200 Veteranen die Schulbank.
Gefallene verehrt, Veteranen gemieden
Besonders beliebt sind Sprachkurse und Informatik. Wenn das Programm gut läuft, soll es später aufs ganze Land ausgeweitet werden. Bedarf gäbe es: Der Krieg gegen prorussische Separatisten dauert schon über fünf Jahre. 300'000 Männer und Frauen haben auf Seiten der ukrainischen Armee gekämpft. Sie alle müssen einen Weg finden, um den Krieg hinter sich zu lassen.
Sehr wichtig sei aber auch Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft, sagt Irina Dumych: «Veteranen werden diskriminiert – etwa bei der Jobsuche. Viele halten sie für verrückt, für gefährlich.»
Es ist eine traurige Realität: In jeder Stadt in der Ukraine gibt es ein Denkmal für die Kämpfer, die im Osten gefallen sind. Sie werden als Helden verehrt. Zu den lebenden Veteranen dagegen hält man lieber Distanz.
Veteranen werden diskriminiert – etwa bei der Jobsuche.
Buchhaltung – und Englisch für die Touristen
Die beiden Sandwich-Unternehmer Kritschtalski und Kinasch jedoch lassen sich von solchen Schwierigkeiten nicht aufhalten. Sie besuchen demnächst Weiterbildungskurse von «Arbeit für freie Menschen». Kinasch möchte sich die Grundlagen in Buchhaltung aneignen. Die braucht er, wenn er eine eigene Firma führt. Und er will Englisch lernen. Schliesslich will er die Touristen verstehen, wenn sie bei ihm ein Sandwich bestellen.