Seit Wochen gibt es aus der Stadt in Englands Midlands Bilder, die in dieser Weltgegend eher unüblich sind: In den Strassen türmen sich seit Wochen Haushaltsabfälle. Die Kehrichtabfuhr streikt. Das ist nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich, denn Birmingham droht eine Rattenplage.
Der muskulöse Mann mit Sonnenbrille und Baseball-Mütze erinnert entfernt an einen Trophäenjäger in Afrika. Doch sein Revier ist die zweitgrösste Stadt Englands.
«Ich kann ihren Urin riechen. Es ist der Geruch von Ammoniak.» Will Timms ist der amtliche Rattenfänger von Birmingham. Er kniet vor einem grossen Müllhaufen am Strassenrand und begutachtet, was sich da meterhoch angesammelt hat: Resten von Pizza, faules Gemüse, gebrauchte Windeln und eine Matratze mit Schmutzflecken.
«Diese Müllhaufen sind das perfekte Habitat für Ratten. Sie haben Futter und Flüssigkeiten aller Art. Das grösste Tier, das ich gefangen habe, war von der Schnauze bis zur Schwanzspitze sechzig Zentimeter lang. So gross wie eine Katze!», erzählt Timms.
Freie Kost und Logis für Ratten gibt es in dieser Stadt seit fünf Wochen an jeder Strassenecke. Solange schon streikt die Kehrichtabfuhr. Die Stadt hat Sparmassnahmen angekündigt, daraufhin haben die Angestellten ihre Arbeit niedergelegt. Ein Zustand, der mittlerweile auch den Menschen in dieser Stadt zu stinken beginnt.
Überall seien nachts Ratten zu sehen. «Wofür bezahlt man in dieser Stadt überhaupt Steuern?», ärgert sich ein Mann. Eine junge Frau hat zwar Sympathien für die Anliegen der Streikenden, aber langsam sei auch ihre Geduld am Ende.
Es sind Zustände, die in diesem Teil der Welt eher unüblich sind und die Stadtverwaltung von Birmingham offensichtlich zunehmend beschämen. Gegenüber ausländischen Medien mag man längst keine Auskunft mehr geben.
Es sei zwar verboten, aber einige Anwohner und Anwohnerinnen würden ihre Abfälle mittlerweile mit dem Auto zu Freunden und Verwandten in umliegende Städte bringen, erzählt Rattenfänger Timms. Aber nicht alle haben ein Auto. Und selbst wenn man eines hat, ist nicht garantiert, dass es noch fährt.
«Denn die Ratten klettern durch den Motorraum in die Autos. Sie kauen elektrische Kabel, Bodenmatten und Sitzpolster. Unlängst musste ich Tiere aus einem alten Jaguar entfernen, den sie ruiniert hatten. Weil ihre Zähne ständig nachwachsen, müssen die Nagetiere immer etwas kauen.»
Vor wenigen Tagen hat die Stadtverwaltung von Birmingham bei der britischen Regierung in London Hilfe angefordert. Will Timms geht davon aus, dass in den kommenden Wochen Kehrichtlastwagen aus umliegenden Städten oder gar die Armee den Müll wegräumen werden. Doch das Problem sei damit noch lange nicht gelöst.
«Die Abfallsäcke sind ideale Brutstätten für Ratten. Ein Weibchen kann alle drei bis vier Wochen Junge gebären. Im Alter von zwei Monaten sind diese wiederum geschlechtsreif und haben Junge. Sie können sich also vorstellen, was in diesen Säcken auf uns wartet.»
Selbst, wenn der Abfall einst weg sein sollte. Die Ratten seien dann immer noch da. In den Autos. In den Kellern. Im Park, wo die Kirschbäume und Osterglocken blühen. Doch auch das macht Will Timms Sorgen. Denn wenn die Abfälle noch lange in der Frühlingssonne gären, werden die Ratten bald Mitbewohner haben. Timms fürchtet nach den Ratten eine Wespenplage.