SRF News: Die Silvesterfeier und das Feuerwerk in Brüssel sind sozusagen Hals über Kopf wegen einer Terrordrohung abgesagt worden. Ist die Lage in Brüssel tatsächlich so unsicher?
Alain Kniebs: Nein. Allerdings wollten die Behörden auf Nummer sicher gehen. Sie sagen, man hätte nicht alle 100'000 Zuschauer des Feuerwerks kontrollieren können. Die Restaurants und Clubs in Brüssel sind allerdings geöffnet und es gibt auch den Aufruf, dorthin zu gehen und sich nicht zuhause einzuschliessen. Die Behörden versuchen also, die Bürger zu beruhigen und fordern sie gleichzeitig dazu auf, Silvester trotzdem zu feiern.
Offenbar gab es eine konkrete Terrorwarnung für Silvester. Die belgischen Behörden haben eine islamistische Motorrad-Gang im Fokus. Was ist das genau für eine Gruppe?
Die Gruppe «Kamikaze Riders» gibt es offenbar schon seit Jahren. Bislang traten die 25- bis 30-jährigen Mitglieder der Gang als Kleinkriminelle in Erscheinung. Sie haben meist einen Migrationshintergrund und fielen mit Verkehrsdelikten und Drogenhandel auf. Mittlerweile lassen sich aber immer mehr Verbindungen in die islamistische Szene zurückverfolgen. So sympathisieren einige Mitglieder mit dem IS, darunter auch der festgenommene Anführer der Gruppe. Andere sind mit Syrien-Kämpfern verwandt. Klar ist, dass sich einige von ihnen so stark radikalisiert haben, dass sie konkrete Anschlagspläne für die Silvesternacht in Brüssel hatten.
Wie reagieren die Menschen in Brüssel auf die Absage des Feuerwerks? Schliesslich will man sogar in Paris, wo am 13. November mehr als 150 Menschen von Terroristen erschossen wurden, grosse Silvester-Feiern veranstalten...
Die Franzosen gehen mit der Terrorgefahr wohl etwas lockerer um und wollen sich nicht unterkriegen lassen. In Brüssel schwingt bei vielen denn auch etwas Enttäuschung darüber mit, dass man das Spiel der Terroristen mitspielt. Schliesslich ist es in der belgischen Hauptstadt bisher zu keinem Anschlag gekommen – und trotzdem verbarrikadiert man sich. Es gibt aber auch Verständnis für die Haltung der Behörden, denn man will sich nicht ausmalen, was beim Massenauflauf anlässlich des Feuerwerks hätte passieren können. Das Ganze ist ein zweischneidiges Schwert.