Das Wichtigste in Kürze
- Der 54-jährige Westschweizer Thomas Gass ist als einer der Vizegeneralsekretäre der UNO zuständig für die sogenannte «Agenda 2030», also die UNO-Nachhaltigkeitsziele.
- Er umschreibt, was er tut, so: «Staaten zusammenbringen».
- Die letzten acht Jahre seien für die UNO gut gewesen, sagt Gass. Die Finanzkrise habe die Staaten dazu bewogen, zusammenzuarbeiten.
Die UNO erhält zurzeit keine guten Noten. Sie wird von allen Seiten angegriffen: In Syrien habe sie versagt. In Burma wirke sie hilflos. Und im Ukraine-Konflikt stehe sie abseits. Diese Argumente hat UNO-Vizegeneralsekretär Thomas Gass schon zigfach gehört. Sie würden in falschen Vorstellungen von der UNO gründen, findet er. «Wir haben es hier nicht mit zwei Parteien zu tun, die einen Kompromiss finden müssen. Auch nicht mit zehn, sondern mit 193.»
Bevor man irgendetwas tun könne – Blauhelmsoldaten entsenden etwa oder humanitäre Hilfe leisten – müssten sich die Mitgliedsländer einigen. Sind sie gespalten, vor allem die fünf Mächtigsten mit Vetorecht im Sicherheitsrat, dann ist die UNO blockiert – und erntet den Zorn, der eigentlich den zerstrittenen Mitgliedern gelten müsste.
Bewegung spürbar
Bei Fragen von Krieg und Frieden ist zurzeit vieles blockiert. Doch häufiger geht es bei der UNO um Wirtschafts-, Entwicklungs- oder Umweltfragen. Und da bewegt sich etwas.
Ich bin kein Utopist, aber Optimist.
Gass bezeichnet die vergangenen acht Jahre denn auch als gute Jahre für die UNO. «Eingeläutet wurde die Phase weniger durch den Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama, als vielmehr durch die Weltfinanzkrise.» Da sei auf einmal die Notwendigkeit, zusammenzuspannen, erkannt worden.
Wieder schwieriger
Der 54-jährige Westschweizer gibt aber zu, in jüngster Zeit sei es wieder schwieriger geworden. Vor allem die Migrationskrise habe die Spannungen zwischen den Staaten verschärft. Umso wichtiger sei es, dass sich die UNO nun der Migrationsproblematik annehme.
Doch der grösste Brocken, mit dem sich der promovierte Naturwissenschaftler und Agraringenieur tagtäglich befasst, sind die UNO-Nachhaltigkeitsziele, die sogenannte «Agenda 2030». 17 Ziele und 169 Unterziele, die von Klimaschutz bis zum Frieden reichen, von der Zuwanderung bis zu Steuerfragen, von der Armutsbekämpfung bis zu den Menschenrechten.
«Zu viel zu lesen»
Zunächst hätten sich Regierungschefs dagegen gewehrt. «Sie sagten, wenn es mehr als zehn Ziele seien, würden sie diese nicht lesen.». Am Ende aber beschlossen alle Staaten die «Agenda 2030». Nicht zuletzt, weil die Zivilgesellschaft und weltweit Tausende von Nichtregierungsorganisationen Druck gemacht hätten und auch die Wirtschaft mitgezogen habe.
Ich hatte gehofft, dass Reformen stärker aus der UNO selbst, aus der Verwaltung angestossen werden.
In tausenden Projekten und Programmen weltweit wird die «Agenda 2030» vorangetrieben. Die Chancen, dass die Ziele in 13 Jahren erreicht sind, stehen nicht schlecht – wenn auch nicht alle Ziele und manche nicht vollständig.
Überzeugt von Zusammenarbeit
Gass, der einen Grossteil seiner Karriere ausserhalb der Schweiz gemacht hat, etwa in der Schweizer UNO-Botschaft in New York oder als erster Schweizer Botschafter in Nepal – ist natürlich überzeugt von der internationalen Zusammenarbeit. Was nicht heisst, dass er stets gut findet, was und wie es bei der UNO läuft. Manches sähe er gerne schneller umgesetzt. «Aber dem stehen verschiedene Kulturen und unterschiedliche Prioritäten oft entgegen.»
Gleichwohl fühlt sich Gass bei der UNO wie ein Fisch im Wasser. Ein wenig mehr frischer Sauerstoff in diesem Wasser wäre indes nicht schlecht.