Der russische Investigativ-Journalist Andrei Soldatov schreibt, Babtschenko haben mit seinem Verhalten die Glaubwürdigkeit von Journalisten beschädigt. Im Zeitalter von Fake News sei Vertrauen die wichtigste Währung für Medienschaffende.
«Das ist ein Terroranschlag auf die Gemeinschaft von Journalisten in Russland und in der Ukraine», schrieb Babtschenkos Freund, der Investigativreporter Pawel Kanygin von der Moskauer «Nowaja Gaseta». Dann die Erleichterung: «Er lebt, das ist das Wichtigste! Und abends kriegt er eins hinter die Löffel, weil mir die letzten Haare ausgegangen sind.»
Lügen ist besser als morden
Die oppositionelle Moskauer Zeitung, für die Babtschenko eine Weile gearbeitet hat, hält es ausserdem für plausibel, dass auf Babtschenko echte Mörder angesetzt waren. Um die Gefahr abzuwenden, hätten die Ukrainer eben gelogen, schreibt das Blatt jetzt. Ausserdem sei lügen immer noch besser als morden.
Eine Provokation gegen die ganze Journalistenzunft.
Der Journalist Ilya Azar findet, die Lügengeschichte aus Kiew sei jenseits von Gut und Böse. In Journalistenkreisen werde gerade diskutiert, Babtschenko eine Tracht Prügel zu verpassen, schreibt Azar.
Der Chefredaktor der russischen Zeitung «Moskowski Komsomolez», Pawel Gussew, schreibt, der vorgetäuschte Mordanschlag sei «nicht nur eine Provokation gegen Russland. Das ist auch eine Provokation Babtschenkos gegen die ganze Journalistenzunft».
Tatsächlich könnte sich der inszenierte Mord als Eigentor erweisen. Seit Jahren beklagen kritische russische Medien, der Kreml manipuliere die Wahrheit. Auch die Ukraine prangert regelmässig die Fake News aus der russischen Propaganda-Küche an. Jetzt hat Kiew selber gelogen.
Fakenews, Propaganda – was soll man noch glauben?
So regten sich offizielle Vertreter Moskaus zunächst zwar über die Anschuldigungen aus Kiew auf. Und dann darüber, dermassen reingelegt worden zu sein. Doch sie erkannten schnell die Möglichkeit, auch andere unangenehme Vorwürfe als unglaubwürdig abzutun – wie etwa bei dem in Grossbritannien vergifteten Ex-Agenten Sergej Skripal.
Die Kiewer Inszenierung sei «eine dreckige und zynische Provokation im Stil des Falls Skripal», sagte denn auch der Dumaabgeordnete Leonid Sluzki. Er bedauere, dass ein russischer Staatsbürger Teil eines solch ungeheuerlichen Spektakels geworden sei.
Scharfe Kritik auch von deutschen Journalisten
Und auch aus dem Westen gibt es Kritik aus der Journalisten-Gilde: «Es ist gefährlich, in einer Welt zu leben, wo die Behörden, wo die Politik die Bürger und die Öffentlichkeit dreist belügen», sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands DJV, Frank Überall, der Nachrichtenagentur DPA. «In dem Moment, wo wir unseren Regierungsvertretern nicht mehr trauen können, wird es für eine Demokratie sehr gefährlich.»