In der Türkei werden die Wahlen vorgezogen. SRF-Korrespondentin Ruth Bossart erklärt, warum dies gerade jetzt geschehen ist.
SRF News: Neuwahlen, anderthalb Jahre vor dem Termin – warum gerade jetzt, da bleibt Präsident Recep Tayyip Erdogan unkonkret. Wo sehen Sie die tatsächlichen Gründe für Neuwahlen?
Ruth Bossart: Präsident Erdogan reitet momentan auf einer Popularitätswelle, die durch den Feldzug in Syrien ausgelöst wurde. Zudem läuft es wirtschaftlich nicht so schlecht – trotz politischer Turbulenzen.
Allerdings gibt es seit einiger Zeit Anzeichen, dass sich das wirtschaftliche Klima verschlechtern könnte und schliesslich regiert ja Erdogan seit dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 per Dekret und er hat mehrfach den Ausnahmezustand verlängert. Das wurde von verschiedener Seite mehrfach kritisiert.
Nach diesen vorgezogenen Neuwahlen wird dann das Präsidialsystem eingeführt, das dem Präsidenten – und das wird höchstwahrscheinlich Erdogan sein – sogar ohne Ausnahmezustand eine grosse Machtfülle gibt.
Unter diesen Vorzeichen: Ist da überhaupt ein fairer Wahlkampf möglich?
Ich würde sagen nein, denn diese vorgezogenen Neuwahlen werden ja unter dem Ausnahmezustand und unter Ausnahmebedingungen stattfinden. Das bedeutet zum einen massiv eingeschränkte Versammlungsfreiheit und zum anderen Wahlen ohne kritische Berichterstattung der Medien.
Dann ist auch die Vorbereitungszeit für eine Wahlkampagne extrem kurz – knappe zwei Monate. Dies ist ein grosser Nachteil für die überraschte Opposition und ein Vorteil für Präsident Erdogan mit seiner geölten Propagandamaschine.
Das Gespräch führte Cornelia Boesch.