SRF News: Bislang haben die Konservativen zusammen mit den Liberaldemokraten regiert. Müssen sie sich erneut einen Koalitionspartner suchen?
Martin Alioth: Es sieht so aus, als wäre das nicht nötig. Die BBC sagt im Moment eine hauchdünne absolute Mehrheit für die Konservativen voraus. Sollte es nicht ganz reichen, stehen die gedemütigten Liberalen wohl kaum zur Verfügung. Aber in Nordirland finden sich bestimmt ein paar Unionisten, die sich mit Geldgeschenken abspeisen lassen.
Ein Thema der Konservativen im Wahlkampf waren die Arbeitsplätze. Ein weiteres Thema war Grossbritanniens Rolle in Europa. Hat das Wahlresultat nun Konsequenzen?
Es hat drastische Konsequenzen: Das von Cameron versprochene EU-Austritts-Referendum wird nun unter seiner neuen Regierung stattfinden. Er ist durch keinen Koalitionspartner mehr gehemmt. Es kann sogar sein, dass dieses Referendum früher als 2017 stattfinden wird.
Verliererin ist die Labour-Partei. Labour-Chef Ed Miliband sprach von einer enttäuschenden Nacht. Warum diese deutliche Niederlage für Labour?
Es ist offensichtlich, dass der Wahlkampf Labours die Wähler in England nicht überzeugt hat. Die Labour-Partei konnte nur auf Kosten der gedemütigten Liberaldemokraten ein paar Sitze in England und Wales dazu gewinnen. Aber das reichte bei weitem nicht. Zwar sind die Prozentanteile der beiden grossen Parteien vermutlich identisch. Dennoch hat die Labour-Partei bei den Sitzen nie die erhofften Ergebnisse erzielt.
Die SNP, die schottischen Nationalisten, gehört zu den grossen Gewinnern. Wie ist das einzuordnen?
Es ist ein Erdrutsch. Die SNP hat 56 der 59 vorhandenen schottischen Sitze gewonnen. Schottland ist gelb eingefärbt. Das hat Konsequenzen für den Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs. Es wird bereits laut über eine Föderalisierung des Vereinigten Königreichs nachgedacht.
Das Gespräch führte Barbara Peter.
Das sind die Gewinner und Verlierer
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Bild 1 von 5. Der überraschend klare Gewinner: David Cameron, Conservative Party. Er sicherte sich nicht nur eine zweite Amtszeit als Premierminister, fortan wird er auch alleine regieren können: Seine konservativen Tories holen mit 331 Sitzen die absolute Mehrheit. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. Gewinnerin: Nicola Sturgeon, Scottish National Party. Den schottischen Nationalisten gelang ein überwältigender Sieg: Statt wie bisher sechs kann sie 56 schottische Abgeordnete ins Londoner Parlament schicken. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 5. Verlierer: Ed Miliband, Labour Party. Die Sozialdemokraten verlieren in ihrer einstigen Hochburg Schottland praktisch alle Sitze an die schottische Unabhängigkeitspartei SNP von Nicola Sturgeon. Miliband übernimmt die «volle Verantwortung» für das schlechteste Labour-Ergebnis seit fast 30 Jahren: Er tritt als Parteivorsitzender zurück. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 5. Verlierer: Nick Clegg, Liberal Democrats. Die Liberaldemokraten als kleinerer Koalitionspartner der Tories werden abgestraft. Von den 57 Sitzen bei den Wahlen 2010 verbleiben nach den Wahlen 2015 noch deren acht. Nick Clegg zieht die Konsequenzen und tritt als Parteivorsitzender zurück. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 5. Nigel Farage, UK Independence Party (Ukip). Die Rechtspopulisten verteidigen einen Sitz. Obwohl sie 12,6 Prozent Stimmen holen (2010: 3,1 Prozent). Aufgrund des Wahlrechts, wonach der Sieger des Wahlkreises alle Stimmen erhält, resultiert kein Ukip-Sitzgewinn. Ukip-Chef Farage verliert in seinem Wahlkreis und tritt deshalb wie angekündigt zurück. Bildquelle: Reuters.