Er ist der Kerl, mit dem man im Pub herumwitzelt – ein Populist, aber mit dem typisch britischen Augenzwinkern: Nigel Farage, 51 Jahre alt, ehemaliger Rohstoffhändler und Parteichef der UK Independence Party (UKIP). Der EU-Gegner hat kaum Chancen auf das Amt des Premierministers. Das kann ihm egal sein – er sieht sich auch ganz klar als klassischer Oppositionspolitiker.
Farage hat stets eine Prise Humor und wirkt authentisch. Er könne deshalb Dinge sagen, die ein anderer strammer Rechtspopulist so nicht sagen könnte, so SRF-London-Korrespondent Urs Gredig. «Er ist der Mann im Pub, mit einem Pint Bier vor sich und einer Zigarette im Mund.»
Farage wirke, als rede er frei von der Leber. «Er weiss genau, was er macht – er schafft die Gratwanderung.» Für Dinge, die er selber nicht sagen könne, habe er eine Meute von Leuten, die das tut. Als Neonazi lässt er sich nicht hinstellen – einige weniger wichtige Exponenten seiner Partei jedoch schon.
Ein smarter und «charmanter Pöbler»
Aufgewachsen ist Farage in Sevenoaks, einem typischen Pendlerstädtchen in der Grafschaft Kent. Sein Vater war Börsenhändler und soll mit einem Alkoholproblem die Familie verlassen haben, als der Sohn Nigel fünf Jahre alt war. Im Gegensatz zu vielen Politikern in Grossbritannien besuchte Farage eine öffentliche Schule. Statt eines Universitätsstudiums entschied er sich für die Arbeit in der Londoner City – als Rohstoffhändler an der Börse.
Obwohl der UKIP-Chef jovial und immer leicht lustig daherkommt, sei er mit allen Wassern gewaschen, so Gredig. «Er hört sich die Ängste der Leute an und bringt diese danach auf die politische Bühne.» Farage sei ein smarter Typ, ein «charmanter Pöbler». Bei seinen Wählern kommt er sehr gut an. Und mehr und mehr bei den Tory-Wählern – den Unterstützern jener konservativen Partei, aus der er nach langjähriger aktiver Mitgliedschaft 1992 ausgetreten war.
«Tories sehen Felle davonschwimmen»
Mittlerweile gebe er sich staatsmännischer, versuche, das unseriöse Image abzulegen, erklärt der SRF-Korrespondent. Auch bei gewissen Themen wie der Homo-Ehe zeigt sich die UKIP auf die Wahl hin plötzlich offener als zuvor. Schwarze Briten nannte er auch schon «Farbige» – in England stark mit der kolonialen Vergangenheit des Landes verbunden.
Er, der sonst dem Alkohol nicht abgeneigt ist, hatte dieses Jahr sogar einen «Dry January» eingelegt – einen alkoholfreien Januar. «Farage will nun als verantwortungsvoller Parteichef daherkommen.» Und das funktioniert: Unter dem Druck der Ukip sind auch die Tories nach rechts gerückt. «Sie sehen ihre Felle davonschwimmen», konstatiert Gredig.
Doch sich auf Farage einlassen, das wollen viele nicht. Gredig resümiert: «Farage ist wie Gift: Den fasst man nicht an – um ihn nicht als Konkurrent wahrnehmen zu müssen.» Genau damit mache Farage aber Politik.
Klassisches Themensetting: Immigration und EU
Er nennt Wladimir Putin «ein politisches, aber nicht menschliches Vorbild» und bewundert Winston Churchill. Obschon ein Teil von Farages Familie selbst nach England geflüchtet war – der französische Nachname stammt von Hugenotten ab – fällt er mit ausländerfeindlichen Aussagen auf. Er will, dass Grossbritannien die Europäischen Menschenrechtskonvention kündigt.
Die beiden Themen Immigration und EU hat er zu den Kernthemen seiner Partei gemacht – die UKIP dominiert die Debatte. «Die Konzentration darauf ist gut für die Partei. Es ist klassisches Themensetting – worauf die anderen Parteien nur noch reaktiv auf die UKIP hin arbeiten können.»
Dass Nigel Farage seit einiger Zeit auf der Erfolgswelle schwimmt, ist unbestritten. Seine UKIP wird bei den Wahlen nicht wenige Stimmen holen. Ob es für die Regierungskoalition reicht, ist offen. «UKIP wird sich sowieso die Regierungskoalition gut überlegen», glaubt Gredig. Farage sehe sich selbst nicht als zukünftiger Premier, sondern – wie es die Rolle des klassischen Oppositionspolitikers gebietet – als Dorn im Fleisch der Regierung.
(SRF 4 News, 16.04., 17:00 Uhr)