Honduras erlebe den schlimmsten Moment seiner Geschichte, sagte die 62-jährige Xiomara Castro jüngst an einer öffentlichen Wahlkampfveranstaltung in Tegucigalpa. Tatsächlich hat sich die Situation während der Pandemie drastisch verschlechtert: 53 Prozent der Bevölkerung leben mittlerweile in extremer Armut und überleben nur dank Geldern von Verwandten im Ausland. Gleichzeitig ist die Mordrate auf 41 Morde pro 100'000 Einwohner gestiegen – in der Schweiz liegt sie bei 0.38. Wegen Gewalt und wirtschaftlicher Not verlassen täglich 600 Menschen das Land Richtung USA – die meisten von ihnen sind jung.
Auch Carlos, ein 28-jähriger Student, erzählt bei einem Gespräch in der Hauptstadt Tegucigalpa, er spiele immer wieder mit dem Gedanken, auszuwandern. Es gebe in Honduras keine Perspektiven für die Jungen. Vor einem Monat seien gleich zwei seiner Freunde gegangen, berichtet Carlos.
Viele junge Menschen seien müde. Das Land brauche deshalb dringend einen grundlegenden Wandel, sagt auch sein Kollege, der 31-jährige Sozialarbeiter Nelson. Die politische Elite des Landes foutiere sich seit Jahrzehnten um die Probleme der Bevölkerung und bereichere sich schamlos. Honduras sei längst keine Demokratie mehr, sondern ein Drogenstaat.
Xiomara Castro sei die einzige Kandidatin, der er noch vertraue. Als einzige habe sie überzeugend dargelegt, wie sie die Probleme Honduras angehen wolle, sagt Sozialarbeiter Nelson. Dem regierenden Partido Nacional hingegen gehe es nur um Machterhalt. Bis heute hat Nasri Asfura, der Kandidat des Partido Nacional, kein Wahlprogramm vorgelegt. Er wirbt einzig mit dem Slogan: «Papi a la orden» «Euer Papa, stets zu Diensten». Zudem missbraucht er nachweislich Steuergelder und staatliche Institutionen für seinen Wahlkampf.
Korruption und kriminelle Machenschaften
Der Partido Nacional habe sich jahrelang vor allem dank illegalen Machenschaften an der Macht halten können, sagt der bekannte Politiologe und Ex-Politiker Tomas Andino. Doch in den letzten Jahren hätten sich viele frühere Anhängerinnen und Anhänger abgewandt, angesichts von Korruption und krimineller Machenschaften. Am kommenden Sonntag drohe der Regierungspartei deshalb eine Niederlage gegen die sozialdemokratische Oppositions-Allianz von Xiomara Castro, glaubt Andino.
In Umfragen liegt Castro in Führung. Angesichts des Unmuts in der Bevölkerung über die Regierungspartei, könne sich der Partido Nacional nur noch mit undemokratischen Mitteln an der Macht halten, glaubt Andino. Schon bei den letzten Wahlen hätten internationale Wahlbeobachter massive Wahlfälschung zugunsten der Regierungspartei festgestellt. Und diesmal könnte der Partido Nacional versucht sein, zusätzlich eine politische Krise heraufzubeschwören, um eine Wahlniederlage abzuwenden, befürchtet Politologe Andino.
Die Armee gegen die Kommunistin?
Zum Beispiel behaupte der abtretende Präsident, Xiomara Castro sei eine Kommunistin, die Honduras in ein zweites Venezuela verwandeln wolle. Sollte Xiomara Castro und ihr Oppositionsbündnis die Wahl gewinnen, könnte Präsident Hernandez unter dem Vorwand, Honduras vor dem Kommunismus zu bewahren, die Armee einsetzen.
Für den 31-jährigen Nelson ist klar: Verhindert der Partido Nacional den Wahlsieg von Xiomara Castro, werden er und seine Freunde – wie viele andere junge Menschen – das Land verlassen, Richtung USA. Dies sind düstere Aussichten auf eine Wahl, die für viele junge Honduranerinnen und Honduraner eine Wahl der letzten Hoffnung ist.