Dieser Tag, im September vor drei Jahren, hat sich in Tundu Lissus Gedächtnis eingebrannt. Der Parlamentarier kommt gerade zu Hause an, als aus einem Wagen hinter ihm zwei Männer steigen und Gewehre zücken. Aus nächster Nähe feuern sie auf den rundlichen Mann im Anzug. 16 Kugeln steckten danach in seinem Körper.
Doch Lissu überlebt, wird in Kenia und später Belgien wieder zusammengeflickt: «Die körperlichen Verletzungen sind verheilt, die Erinnerungen nicht. Mein Körper ist mit Narben übersät und mein rechtes Bein ist nun 7 Zentimeter kürzer, darum hinke ich.»
Ich bin seit langem der Staatsfeind Nummer 1 für das Regime von Präsident John Magufuli.
Wer ihn damals so zugerichtet hat, weiss Tundu Lissu nicht. Die Untersuchungen verliefen im Sand. Doch der Hintergrund ist für den 52-jährigen Oppositionellen klar: «Ich bin seit langem der Staatsfeind Nummer 1 für das Regime von Präsident John Magufuli. Sie wollten sicher nicht, dass ich wieder zurück ins Land komme und nun fürs Präsidentenamt kandidiere.
Sein Hauptgegner, Präsident John Magufuli, galt bei Amtsantritt vor fünf Jahren noch als Hoffnungsträger. Er mistete aus: Sparte bei Regierung und Beamten, sorgte für mehr Steuereinnahmen und bekämpfte die Korruption. Der Bulldozer wird er genannt, weil er ohne Rücksicht seine Ziele verfolgt.
Doch Magufuli zeigt sich dünnhäutig, sobald Kritik laut wird. «Der Präsident hat gar keine Haut, nicht bloss dünne Haut. Er nimmt jegliche Kritik an der Regierung persönlich», sagt der Herausforderer.
«Wir sind durch die Hölle gegangen»
Das hat dazu geführt, dass in Tansania Journalisten reihenweise ins Gefängnis wanderten. Und sogar ein Komiker, der sich über einen zu grossen Anzug des Präsidenten lustig machte, wurde verhaftet.
Nicht bloss die Meinungsfreiheit sei faktisch Geschichte, so Tundu Lissu: «Parteien durften keine Veranstaltungen mehr abhalten in den letzten Jahren, ausser die Regierungspartei. Oppositionspolitiker wurden angegriffen, verletzt, getötet. Wir sind durch die Hölle gegangen.»
Immerhin: Gestern konnte sich Tundu Lissu erfolgreich als Präsidentschaftskandidat registrieren. Doch viele Oppositionspolitiker, die bei den Parlamentswahlen teilnehmen wollen, wurden angegriffen, oder gleich von der Polizei festgenommen.
Die Chance, dass sich bei den Wahlen vom Oktober in Tansania etwas ändern wird, ist relativ klein. Der Präsident muss einfach am meisten Stimmen aller Kandidierenden erhalten, nicht aber das absolute Mehr. Und die Opposition ist zersplittert.
Gefährliche Ambitionen
Trotzdem glaubt Tundu Lissu an seine Chance: «Ich glaube, Magufuli ist schlagbar. In den letzten Tagen war ich im ganzen Land unterwegs. Die Leute sind bereit für einen Wandel. Der Präsident hat sich überall Feinde gemacht.»
Doch der Präsident hat eben auch Freunde, zum Beispiel im Sicherheitsapparat und in seiner Partei. Und die Freunde des Präsidenten fackeln nicht lange. Das spürt die Opposition.
Einen Anschlag hat Tundu Lissu überlebt. War das nicht genug? Ist er verrückt, sein Leben erneut aufs Spiel zu setzen? «Ich bin nicht verrückt! Ich bin zurechnungsfähig. Ich liebe mein Leben. Aber manchmal muss man halt schwierige Entscheidungen fällen.»
Die Entscheidung des Oppositionspolitikers in Tansania ist klar: Er fordert den Präsidenten heraus. Und das ist gefährlich.