Zum Inhalt springen
Audio
Rumänien: Eine Präsidentenwahl mit vielen Fragezeichen
Aus Echo der Zeit vom 25.11.2024. Bild: KEYSTONE/AP Photo/Alexandru Dobre
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 4 Sekunden.

Wahlen in Rumänien Erfolg des rechtsextremen Calin Georgescu wirft Fragen auf

Er inszeniert sich wahlweise als seriöser Politiker im Anzug, oder reitend auf einem Pferd und beim Judo. Und er bombardiert auf Tiktok das Publikum mit der Botschaft: Er sei ein starker Führer, ein echter Rumäne und quasi von Gott gesandt. «Tiktok-Politiker» oder «Phantom-Kandidat» nennen ihn heute die rumänischen Medien, und das mit gutem Grund: Der 62-jährige Calin Georgescu, Agronom und Berater für nachhaltige Entwicklung, war im traditionellen Wahlkampf praktisch kein Thema.

Georgescu ist kein Unbekannter

Doch in den letzten Wochen nahm seine Präsenz in den sozialen Medien urplötzlich stark zu. Das führt viele Kommentatoren zum Schluss, dass Georgescus gutes Abschneiden das Werk ausländischer, wohl russischer Akteure ist. Und dass es sich um ein kolossales Versagen der rumänischen Institutionen handelt, denn Georgescu ist kein Unbekannter.

Seine Verherrlichung des Faschismus ist bekannt, auch der Justiz. Doch er durfte kandidieren, obwohl Antisemitismus und Verherrlichung des Faschismus in Rumänien gesetzlich verboten sind. Entsprechende Warnungen wurden nicht ernst genommen – vielleicht wollte man es auch nicht.

Und so hat Rumänien – das eine Nato-Militärbasis beherbergt und Waffen an die Ukraine liefert – im ersten Wahlgang eine Figur gewählt, die gerne von der «russischen Weisheit» schwärmt und den Raketenabwehrschirm der Nato über Rumänien eine «diplomatische Schande» nennt.

Nationalistisches Gedankengut weit verbreitet

Es mag sein, dass dies unter anderem das Werk russischer Trolle ist. Aber Georgescu hat auch einen Nerv getroffen: Es gibt in der Bevölkerung einen grossen Unmut über die politische Klasse, die sich, so die Wahrnehmung, nicht um die echten Probleme der Menschen kümmert und korrupt ist.

Ausserdem stösst die Unterstützung der Ukraine nicht nur auf Zustimmung. Und grossrumänisches, nationalistisches Gedankengut ist bis weit in die Mitte des politischen Spektrums akzeptiert.

Zweikampf Georgescu vs. Lasconi

Die Wählerschaft hat mit ihrem Votum die etablierte Politik abgestraft. Und so kämpfen zwei neue Figuren um die Präsidentschaft: Der parteilose Extremist Calin Georgescu und die prowestliche, liberale Elena Lasconi, die zusammen mit ihrer Partei für Rechtsstaatlichkeit und den Kampf gegen Korruption steht, und für die Unterstützung der Ukraine. Lasconi wirkt zwar integer und gewinnend, verfügt aber über relativ wenig politische Erfahrung.

Dass Georgescu die Stichwahl gegen diese Kandidatin gewinnen kann, ist denkbar. Denn das Wähler- und Wählerinnenpotential der Rechtspopulisten und Ultranationalisten ist gross: Alle Kandidaten zusammengenommen haben rund einen Drittel der Stimmen geholt.

Judith Huber

Osteuropa-Korrespondentin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Vor ihrer Tätigkeit als Osteuropa-Korrespondentin war Judith Huber als Auslandredaktorin tätig. Sie war zudem jahrelang Produzentin der Sendung «Echo der Zeit» von Schweizer Radio SRF. Judith Huber ist spezialisiert auf die Länder der ehemaligen Sowjetunion und ist Sonderkorrespondentin für die Ukraine.

Echo der Zeit, 25.11.2024, 18 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel