Im November ereignete sich in Simbabwe Historisches. Nach anhaltenden Massenprotesten putschte das Militär gegen Langzeit-Diktator Robert Mugabe. Das befürchtete Blutbad blieb aus, der 94-Jährige trat den geordneten Rückzug an – nach 37 Jahren an der Macht.
Mittlerweile ist es ruhig geworden um das südafrikanische Land. Zuletzt verbreiteten westliche Nachrichtenagenturen eine eher skurrile Meldung: Ein riesiges Krokodil blockierte im Nordwesten des Landes den Haupteingang eines Spitals. Die Riesenechse soll jeden angegriffen haben, der hinein oder hinaus wollte. Panik brach aus. Das Tier wurde schliesslich erschossen.
Noch weit mehr Menschen fürchten sich allerdings vor einem anderen «Krokodil», dem Kritiker ähnliche Angriffslust zusprechen: Interimspräsident Emmerson Mnangagwa.
Im Juli will sich das Mnangagwa als Staatschef bestätigen lassen. Vor dem Urnengang gibt er sich als aufrechter Demokrat: «Als Regierung freuen wir uns auf sehr friedliche, transparente und harmonische Wahlen», liess er sich in der staatlichen Zeitung «Sunday Mail» zitieren.
Relativ frei waren die Wahlen in Simbabwe schon in der Ära Mugabe. Allerdings nutzte dieser die staatlichen Strukturen, um für sich und seine Partei Zanu-PF zu werben. Die Opposition kam in den wichtigen staatlichen Medien kaum vor.
David Signer, Afrika-Korrespondent der NZZ, hat Simbabwe soeben besucht. Auch er meldet Zweifel an: «Mnangagwa gibt sich als Hoffnungsträger und als Reformer. Dabei hat er Mugabes Kurs jahrelang als Nummer 2 mitgetragen.»
Dieser «Kurs» beinhaltete auch Massaker in Oppositionshochburgen. In blutiger Erinnerung blieb dasjenige an der Volksgruppe der Ndebele im Matabeleland. Als Geheimdienstchef orchestrierte Mnangagwa das Blutvergiessen 1983/84. Mugabes Armee soll damals schätzungsweise 20'000 Menschen getötet haben.
Kein Wort der Reue
Ende Januar besuchte Mnangagwa das WEF in Davos. Dort drängte ihn eine Journalistin, sich für das Massaker zu entschuldigen. «Er hat sich aber standhaft geweigert», berichtet Signer. Die Ndebele würden bei den Wahlen «nie und nimmer» für das «Krokodil» stimmen; der Übername weckt unter ihnen ganz andere Bilder als unter seinen Anhängern.
Wirtschaftlich hat sich noch nicht viel geändert. Atmosphärisch aber ganz klar. Die Leute atmen auf.
Allerdings: Nach Jahrzehnten, in denen das Land in der Diktatur erstarrte, sei durchaus Aufbruchstimmung zu spüren, sagt der Afrika-Korrespondent. In der Hauptstadt Harare etwa hat Signer einen Politologen getroffen: «Nach dem Interview hat er mir gesagt, dass ein solches Gespräch noch vor einem Jahr nicht möglich gewesen wäre. Sofort wäre der Geheimdienst gekommen und hätte mich ausgequetscht.»
Auch jüngere Leute, die nichts anderes als das Mugabe-Regime erlebt hätten, könnten kaum glauben, dass sie auf einmal frei reden dürften. «Wirtschaftlich hat sich noch nicht viel geändert. Atmosphärisch aber ganz klar. Die Leute atmen auf», sagt Signer.
Die Leute sind misstrauisch und können nicht so recht glauben, dass sich Mnangagwa vom Saulus zum Paulus gewandelt hat.
Ob das «politische Tauwetter» einen allfälligen Wahlsieg Mnangagwas überdauern wird, wagt Signer nicht vorauszusagen: «Er ist sich seines Sieges ziemlich sicher. Natürlich kann es sein, dass er sich mit seinen Machtmitteln relativ freie Wahlen erlauben kann.»
Ein Wolf im Schafspelz?
Denn die Opposition sei nach Jahrzehnten der Unterdrückung weiter geschwächt. Für Signer bleibt die grosse Frage: «Ist Mnangagwa ein Wolf im Schafspelz? Oder gibt es einen echten Neuanfang in Simbabwe?»
Eben diese Frage stellten sich derzeit viele der 13 Millionen Simbabwer, schliesst Signer: «Die Leute sind misstrauisch und können nicht so recht glauben, dass sich Mnangagwa vom Saulus zum Paulus gewandelt hat.»