Prayut Chan-o-Cha sucht sein Gleichgewicht. Er hat soeben den Ball zurück übers Netz gekickt, strauchelt, eine Assistentin stützt ihn kurz. Sepak Takraw heisst das Spiel, eine Art Mini-Volleyball, gespielt mit Füssen. Den nächsten Ball verfehlt der aktuelle thailändische Premierminister und ex-General. Er lächelt, leicht verlegen, doch selbstsicher.
So ähnlich läuft auch die Wahlkampagne des 69-Jährigen, der noch einmal Premierminister werden will: Am Volk vorbei, unbeholfen, und doch weiss Prayut, dass er Chancen hat. Denn die Regeln zur Wahl, die hat er mitbestimmt.
«Wenn ich das alles für meinen persönlichen Profit getan hätte, wäre ich so lange Premierminister geblieben?», fragte Prayut kürzlich an einer Wahlveranstaltung im Süden von Thailand. Die Menschen sollten diejenigen in Uniform, die zu Politikern geworden sind, nicht hassen, fügte er an, der selbst von Camouflage zum Anzug gewechselt hat.
Doch genau das ist die vorherrschende Stimmung in den Tagen vor der Wahl. Zwei Drittel der Thais werden gegen die Männer stimmen, die zur Klasse der «Dinosaurier» gehören. Eine Bezeichnung, die im Gespräch mit jungen Thais oft fällt.
Die grösste Oppositionspartei ist «Pheua Thai», die neueste Inkarnation der ursprünglichen Rothemden-Partei, einst gegründet von Thaksin Shinawatra, der heute im Exil in Dubai lebt. Seine Tochter Paetongtarn Shinawatra kandidiert jetzt als Premierministerin. Seit 20 Jahren hat dieses Lager stets am meisten Stimmen gewonnen, aber nur zwei Mal, und auch nur kurz, regieren können: Entweder putschte das Militär, oder die Gerichte lösten die Partei auf und disqualifizierten unbequeme Politiker und Politikerinnen. «Pheua Thai» wird auch am Sonntag wieder gewinnen.
Prommin Lertsuridej, 68-jährig, ist einer der ursprünglichen Mitstreiter im Thaksin-Lager. Er berät heute «Pheua Thai» als Wahlstratege. «Das gibt auch dieses Mal wieder einen Erdrutschsieg», sagt er. «Die demokratischen Parteien werden gewinnen und den konservativen Kräften ein deutliches Zeichen geben.»
Die Geschichte des modernen Thailands ist ein stetes Tauziehen zwischen demokratischen und autoritären Kräften. Laut dem Politologen Purawich Watanasukh ist die Wahl richtungsweisend – wohl in Richtung mehr Demokratie. Aber sicher könne man nie sein: In der Thai-Politik könne alles geschehen, auch ein erneuter Coup. «Warum hatten wir in Thailand 13 Coups und 20 Verfassungen?», fragt er. «Weil sich die Gesellschaft nicht über grundsätzliche Spielregeln geeinigt hat.»
Diejenigen, die jetzt gerade gelten, stammen aus der Feder des Militärs. Obwohl sich auf Wahlplakaten die Parteien mit populistischen Wahlversprechen überbieten: Im Kern geht es um die Frage, ob das Land weiter von militärnahen Kräften gleitet werden soll, oder nicht. Die Mehrheit will den Wechsel. Das Militär hat viel an Reputation verloren. «Die Meinung der Menschen hat sich über die letzten acht Jahre dramatisch verändert», sagt der Politologe Purawich.
Wer Thailand regieren wird, das wissen die Thais dennoch wohl erst im Herbst. Während der nächsten Monate wird sich zeigen, ob sich der überdeutliche Wunsch nach Wechsel an der Urne auch umsetzen lässt – in einer Monarchie, deren traditionelle Eliten dem Militär nahestehen.