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Wahlkampf in Deutschland Elon Musk trifft AfD-Chefin Weidel auf X

  • In einem Online-Gespräch mit AfD-Chefin Alice Weidel hat der US-Milliardär Elon Musk erneut massiv für ihre Partei geworben, während sie ein düsteres Bild von Deutschland zeichnete.
  • Das mehr als einstündige, auf Englisch geführte Gespräch war der erste persönliche Austausch von beiden.
  • Es wurde weltweit verfolgt und stand wegen Vorwürfen der Wahleinmischung auch unter besonderer Beobachtung von EU und Bundestagsverwaltung.

Die Unterhaltung in einem sogenannten X-Space – einer in X integrierten Audioplattform – verfolgten laut einem dort sichtbaren Zähler rund 200'000 Nutzer. Da es aber auch möglich ist, sich anonym zuzuschalten, dürfte die Zahl deutlich darüber liegen.

Weidel startete mit einer Generalabrechnung mit der Merkel-Regierung, bezeichnete die langjährige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Deutschlands «erste grüne Kanzlerin» und griff deren Zuwanderungs- und Energiepolitik an. Musk erklärte zwar, er sein ein grosser Fan von Solarenergie, stimmte Weidel aber in ihrer Kritik an der Abschaltung der Atomkraftwerke zu.

In dem Gespräch, in dem zuerst vor allem Musk die Fragen stellte und sich beide gegenseitig viel zustimmten und lachten, ging es kreuz und quer durch die Themen. Weidel kritisierte zu hohe Steuern in Deutschland und die Bürokratie. Musk berichtete von der Eröffnung seiner Tesla-Fabrik in Grünheide bei Berlin.

Beide kritisierten die EU-Regulation im Internet, Weidel kritisierte das deutsche Bildungssystem, Musk erklärte, Trump werde den Konflikt in der Ukraine sehr schnell lösen. Er fragte Weidel nach ihrer Haltung im Nahost-Konflikt und ob sie das Existenzrecht Israels anerkenne, was sie bejahte. Im Konflikt mit den Palästinensern sehe sie allerdings aktuell keine Lösung.

Einschätzung: «Ein PR-Erfolg für die AfD»

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Einschätzung von Deutschland-Korrespondent Stefan Reinhart: Für die Alternative für Deutschland AfD ist der Abend ein PR-Erfolg, ein Scoop. Elon Musk, der Milliardär und Trump-Intimus, adelt die Partei mit einem stündigen Talk auf X. 

Parteichefin und Kanzlerkandidatin Alice Weidel darf zum Beispiel sagen und erklären, wie Angela Merkel Deutschland ruiniert habe. Eine Grüne sei sie eigentlich gewesen, habe die Atomkraft aufgegeben – aber die Erneuerbaren nicht ans Netz bekommen. 

Der Talk war auf Englisch, Musk über weite Strecken der Erklärer, Weidel die Zuhörerin. Was da genau gesagt wurde, spielt eine kleinere Rolke als die Tatsache, dass sich Weidel auf internationalem Parkett als Retterin Deutschlands präsentieren konnte. 

Wenn Musk etwas über Deutschland wissen will, dann fragt er Weidel – diese Botschaft bleibt. Entsprechend gross die Freude bei der AfD. Mit leuchtenden Augen verfolgten AfD-Leute in Berlin den Talk – zu SRF sagt Bundestags-Abgeordnete Beatrix von Storch: «Das hilft uns im Wahlkampf ungemein!»

Inhaltlich also kein Gamechanger – in der Aussenwirkung aber Gold wert für die AfD.

Illegale Parteienfinanzierung?

Musk macht seit Wochen Werbung für die AfD, kombiniert mit Beschimpfungen deutscher Spitzenpolitiker. Das sorgt im Bundestagswahlkampf für viel Unruhe. Die Bundestagsverwaltung prüft, ob möglicherweise illegale Parteienfinanzierung vorliegt. Die Organisation Lobbycontrol hatte die Frage vor dem Gespräch mit Weidel aufgeworfen und darauf verwiesen, dass Wahlwerbung durch Dritte nach Parteiengesetz als Spende gelte. Spenden von ausserhalb der EU über 1000 Euro dürfen Parteien in der Regel dem Gesetz zufolge nicht annehmen.

Ein Handybildschirm.
Legende: Um die 200'000 Userinnen und User verfolgten das Gespräch zwischen Musk und Weidel auf X. EPA/CHRISTOPHER NEUNDORF

Kritiker werfen Musk vor, mithilfe seiner enormen Reichweite den Ausgang der Bundestagswahl in Deutschland beeinflussen zu wollen. Seine Botschaften auf X lesen und teilen weltweit mehr als 210 Millionen Nutzer.

EU verfolgt Musks Aktivitäten aufmerksam

Die EU beobachtet Musks Aktivitäten schon länger. Seit gut einem Jahr läuft ein Verfahren gegen seine Plattform X. Geprüft wird, ob diese gegen das EU-Digitalgesetz (DSA) verstösst. Grosse Plattformen wie X, Tiktok oder Google müssen sich an bestimmte Regeln halten, sonst drohen ihnen hohe Strafen. Die EU-Kommission betont zwar, Meinungsfreiheit sei auch für Plattformbesitzer wie Musk geschützt, Plattformen müssten aber sicherstellen, dass sie nicht für die Manipulation von Wahlen oder die Untergrabung des zivilen Diskurses genutzt würden.

«Politico» hatte vorab berichtet, ein Team von bis zu 150 Beamten der Kommission werde den Musk-Weidel-Talk verfolgen. Dabei solle es aber weniger um die Inhalte des Gesprächs gehen, als darum, ob der Algorithmus von X den Livestream so prominent bei den X-Nutzern in Europa verbreitet, dass der AfD damit ein Wahlkampfvorteil verschafft wird.

Treffen mit turbulenter Vorgeschichte

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Das Treffen mit Weidel hatte eine turbulente Vorgeschichte. Kurz vor Weihnachten legte Musk der AfD ein dickes Geschenk unter den Baum: «Nur die AfD kann Deutschland retten», schrieb er auf seiner Plattform. Weidel bedankte sich postwendend. Der einsetzenden Debatte und Kritik über Einmischung in die Bundestagswahl setzte Musk zur Freude der AfD noch eins drauf und bekräftigte seine Aussage in einem Beitrag in der «Welt am Sonntag» – ausgerechnet in einer Zeitung – ein Medium, das zu den von Musk gescholtenen «alten» Medien gehört, denen er immer wieder unterstellt, Lügen zu verbreiten.

Der Beitrag, über den sogar gemutmasst wurde, dass Musk ihn von einer KI habe schreiben lassen, feuerte die Debatte noch weiter an. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) nannte Musks Wahlaufruf für die AfD «übergriffig und anmassend.» Kanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte, dass sich der Unternehmer – immerhin Berater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump – «für eine in Teilen rechtsextreme Partei» einsetze, «die die Annäherung an Putins Russland predigt und die transatlantischen Beziehungen schwächen will».

Rendez-vous, 9.1.24, 12:30 Uhr ; 

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