Am 25. September wird in Italien ein neues Parlament gewählt. Das rechte Lager darf sich laut allen Umfragen auf einen Wahlsieg freuen. Die rechte Koalition unter Führung von Georgia Meloni mit den postfaschistischen Fratelli d'Italia gibt sich geeint. Doch die Rolle der getreuen «Putiniani» Silvio Berlusconi und Matteo Salvini dürfte im Wahlkampf noch einigen Staub aufwirbeln, schätzt FAZ-Italien-Korrespondent Matthias Rüb.
SRF News: Trotz einiger Personalfragen erscheint das rechte Lager geeint. Trügt das Bild?
Matthias Rüb: Nein. Das Bündnis ist stabil. Die Parteiführer haben sich bei den Verhandlungen vom Mittwoch nicht nur auf einen Spitzenkandidaten für das Amt des Regierungschefs geeinigt, sondern auch auf Kandidaten in den Einzelwahlkreisen. Es ist ein klarer Sieg für Georgia Meloni von den Fratelli d’Italia. Sie hatte von Anfang an gefordert, dass wie bereits 2018 die Partei mit den meisten Einzelstimmen den Ministerpräsidenten nominiert. Damals unterlag sie noch den Cinque Stelle, doch nun könnte es ihr gelingen, sich selbst als Kandidatin für das höchste Regierungsamt zu nominieren.
Berlusconi von der Forza Italia und Lega-Chef Salvini mussten also klein beigeben?
Genau. Das Alpha-Tier im Rechtsbündnis ist gegenwärtig weiblich. Meloni ist mit ihren Fratelli d’Italia gemäss allen Umfragen mit 23 bis 25 Prozent Zustimmung unter allen Parteien klar in Führung. Die Lega ist mit 13 Prozent deutlich abgeschlagen, und die Forza Italia kommt auf sieben bis neun Prozent. Letztere wären also nicht einmal zusammen so stark wie Meloni.
Salvini und Berlusconi sind in den letzten Jahren mit ihrer Nähe zu Russland aufgefallen. Inwiefern kann das für die Rechte im Wahlkampf zum Problem werden?
Tatsächlich ist die tiefste Bruchlinie des rechten Bündnisses der Streit um den Ukraine-Krieg. Obwohl Meloni die einzige Oppositionskraft gegen die breite Koalition der nationalen Einheit war, hat sie Premier Mario Draghi in der Ukraine-Politik von Anfang an bedingungslos unterstützt. Salvini und Berlusconi dagegen pflegen eine langjährige Russland- und Putin-Freundschaft. Als «Putiniani» warfen sie Draghi immer wieder Knüppel zwischen die Beine mit ihrer Forderung, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen. Es wird sich zeigen, ob das eine Belastung für die künftige Regierung wird.
Laut Recherchen der Zeitung «La Repubblica» schicken russische Wagner-Söldner Flüchtlinge von Libyen nach Italien, um Salvini im Wahlkampf gegen die illegale Migration zu helfen. Wie schätzen Sie das ein?
Der Bericht beruht auf Informationen aus dem Geheimdienst und dem Innenministerium. Er ist von aussen schlecht einschätzbar, aber plausibel. In den letzten Wochen und Monaten kamen die meisten Flüchtlingsboote von Tunesien aus auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an. Nun stammen offenbar die meisten Boote aus Libyen. Und zwar aus dem Gebiet, das der abtrünnige General Haftar kontrolliert, der mit Moskau verbündet ist und von den Wagner-Söldnern unterstützt wird.
Der Wahlkampf wird kurz und ist bereits sehr giftig.
Der Wahlkampf wird kurz und ist bereits sehr giftig, wie jetzt auch die mutmassliche Rolle Moskaus zeigt. Bis zu 40 Prozent der Wählerschaft ist noch unentschlossen. Es kann in den knapp acht Wochen noch sehr viel passieren. Voraussagen sind fast unmöglich.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.