Es war Anfang März, als die Republikaner im Repräsentantenhaus von Georgia eine äusserst umstrittene Wahlreform verabschiedeten. Mit dem Argument, man müsse das Vertrauen in die US-Wahlen wieder stärken. Vor dem Parlament in Atlanta protestierten Stimmrechtsorganisationen und empörte Demokratinnen und Demokraten.
Es geht nicht darum, die Hürden für Wählerinnen und Wähler zu erhöhen.
Georgia ist nur ein Schauplatz in diesem Kampf um Wahlregeln. In über 40 Bundesstaaten sind Wahlgesetze in Arbeit, die strengere Ausweiskontrollen vorschreiben, kürzere Öffnungszeiten der Wahllokale und Briefwahl nur auf Antrag. Die Gesetze würden den Zugang zu den Wahlen wieder einschränken.
Der bekannte konservative Wahlrechtsexperte Hans von Spakovsy ist allerdings nicht einverstanden mit dieser Beschreibung: Es gehe nicht darum, die Hürden für Wählerinnen und Wähler zu erhöhen, sondern darum, die Sicherheitslücken zu stopfen.
Von Spakovsy sieht insbesondere die erweiterte Briefwahl als Sicherheitsrisiko, weil man die Identität der brieflich Wählenden nicht genügend überprüfen könne.
Kein Gehör für offizielle Untersuchungen
Er widerspricht damit mehreren wissenschaftlichen Studien, welche die Briefwahl in den USA für sicher erklären. Bei den jüngsten Nachwahluntersuchungen wurden zudem keine Hinweise auf massgeblichen Wahlbetrug gefunden.
Doch die Mehrheit der republikanischen Wählerschaft hält es für weiterhin ungeklärt, ob nicht doch Wahlbetrug zum Sieg von Joe Biden geführt hat. Die nötigen polizeilichen Ermittlungen seien nicht erfolgt, sagt von Spakovsky: «Man weiss schlicht nicht, was passiert ist.» Auch die konservative Denkfabrik Heritage Foundation unterstützt die restriktiven Wahlreformen in den Swing States finanziell.
«Abgekartetes Spiel»
Die Demokraten glauben nicht, dass es den Republikanern um die Wahlsicherheit geht. Das sei doch ein abgekartetes Spiel, sagt Sylvia Albert von der Wahlrechtsorganisation «Common Cause»: «Zuerst haben die Republikaner alles unternommen, um das Vertrauen ihrer Wählerschaft in den Wahlprozess zu erschüttern. Und nun, da es ihnen gelungen ist, fordern sie Reformen ein, um diese wieder zu beruhigen.»
Dabei gehe es den Republikanern nur darum, sich einen Vorteil in den kommenden Wahlen zu verschaffen, sagt Albert. Zudem seien die vorgeschlagenen Massnahmen auch rassistisch.
Es ist schwieriger geworden, diskriminierende Massnahmen zu beweisen.
Zum Beispiel der Vorschlag, in Georgia Wahltermine an Sonntagen abzuschaffen, also genau dann, wenn afro-amerikanische Kirchen ihre Wählerschaft mobilisieren würden. Das Gesetz ziele direkt darauf, die afro-amerikanische Stimmbeteiligung einzuschränken.
Rückschlag für freies Stimmrecht erwartet
Wahlrechtsorganisationen wie «Common Cause» werden die neuen Wahlgesetze der Republikaner juristisch bekämpfen. Doch die Rechtsmittel dazu sind beschränkt. Denn laut US-Verfassung liegt die Kompetenz bei den Parlamenten der Bundesstaaten. 2013 hat der Oberste Gerichtshof zudem die letzten Hürden aus dem Bürgerrechtsgesetz von 1965 für Südstaaten abgeschafft.
Es sei nun schwieriger geworden, diskriminierende Massnahmen zu beweisen, sagt Albert. Und zudem seien die Gegenkräfte raffinierter geworden, ihre wahre Absicht zu vertuschen. Sie erwarte einen Rückschlag nach den jüngsten Erfolgen der Demokraten vor allem in Georgia, aber auch in Arizona und Texas: «Es wird hart. Der Kampf um ein freies Stimmrecht in den USA ist ein Marathon, nicht ein Sprint.»