SRF News: Es gibt ja laute Kritik an der Feuerwehr – man habe stundenlang keinen Feuerwehrmann gesehen. Was ist da dran?
Tilo Wagner: Die Feuerwehr zu kritisieren ist schwierig, weil die jeden Sommer hier heldenhafte Arbeit tun. Es gibt aber schon Fragen, die sich stellen nach dieser Katastrophe. Und da geht es vor allem erstmal um diese Schnellstrasse. Fast alle Opfer starben ja in oder neben ihren Autos – allein 47 auf der Nationalstrasse. Eine Schnellstrasse, die nebenan geführt wird, wurde bereits geschlossen und dann fuhren die Leute über die Nationalstrasse und wurden von dem Feuer überrumpelt. Da ist natürlich die Frage, was ist passiert. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Behörden von der Gewalt der Feuersbrunst ebenfalls überrumpelt wurden. Normalerweise ereignen sich die schlimmsten Waldbrände sehr viel später, nämlich Ende August, anfangs September. Dieses Jahr ist alles sehr viel früher dran.
Warum hatte gerade dieser Brand so verheerende Folgen?
Es war zu einem grossen Teil eine Naturkatastrophe mit extremem Wetter und es herrscht eine extreme Trockenheit. In den eigentlich regenreichen Monaten wie zum Beispiel im April ist praktisch kein Tropfen gefallen. Zudem herrscht hier in Portugal eine grosse Hitzewelle mit Temperaturen von über 40° Celsius. In dem betroffenen Gebiet entstand ein Trockengewitter mit Blitzeinschlag und sehr starkem Wind. Innerhalb kürzester Zeit war dann der Waldbrand ausser Kontrolle. Augenzeugen berichten, dass das Feuer innerhalb von 20 bis 30 Sekunden die Dörfer erreicht hat und sie in ein Flammenmeer verwandelt hat.
Gibt es denn wirklich nicht auch andere Gründe?
Es werden jetzt auch Probleme diskutiert, die seit Jahrzehnten auf dem Tisch liegen. Da sind zum einen die Eukalyptus-Wälder. Die stehen dort, wo früher Pinien und Steineichen standen und diese sind wesentlich feuerresistenter. Die Eukalyptusbäume sind wirtschaftlich interessanter, entziehen den Böden aber auch viel Wasser und sind sehr anfällig für grosse Waldbrände. Dann gibt es auch noch die Frage nach den vielen Grundstücken. In Portugal sind die Flächen und Waldstücke in Privatbesitz sehr klein und werden nicht richtig gepflegt, weil es nicht gerade billig ist. Ein weiteres Problem ist, dass in den abgelegenen Gebieten nur noch alte Menschen leben – die Jungen sind schon weggezogen – die es sich einfach nicht leisten können, ihre Grundstücke in Schuss zu halten.
Unternimmt da die Regierung nichts dagegen?
Doch – Das ist aber die nächste Tragödie in der Tragödie: Diese Regierung, die jetzt die schwerste Katastrophe seit Jahrzehnten erlebt, hat tatsächlich die Grundpfeiler für eine Waldreform verabschiedet. Hier geht es darum dass die Grundstücke vom Staat leichter enteignet werden können und die lokalen Behörden erhalten mehr Macht. Das Problem, dass die Umsetzung einer solchen Reform Jahre dauern wird.