Antonis und Steve sitzen in ihrer hellen, geräumigen Wohnung auf dem Sofa. Alle Fenster sind geschlossen und die Klimaanlage läuft auf Hochtouren. Antonis sagt: die Zeremonie, die sie 2016 zu Mann und Mann machte, sei überhaupt nicht romantisch gewesen: «Bürokratisch war es», sie hätten x-mal unterschreiben müssen, ein Papierkrieg. Vor allem aber brauchten Antonis und Steve viel Geduld.
Schwulsein als Stigma
Seit bald 40 Jahren sind die beiden ein Paar. Und als sie noch jung waren, in den 1970er Jahren, sei es für Lesben und Schwule schwierig gewesen. Antonis, der pensionierte Psychiater, sagt: «Damals war Schwulsein ein Stigma, ein Wundmal». Ein Doppelleben habe er geführt, er habe sich gezwungen gefühlt, auch Beziehungen zu Frauen einzugehen. Erst als seine Eltern gestorben waren, wagte er sein Coming Out.
Steve, der pensionierte Schulleiter, sitzt meist still daneben und hört zu. Plötzlich aber schaltet er sich ein: Es stimme, in Griechenland gehe alles sehr langsam. Aber, sagt der in den USA geborene Steve, auch in seinem Heimatland habe es schliesslich lange gedauert, bis gleichgeschlechtliche Paare ihre Beziehungen legalisieren durften: «Erst 2005 oder 2006 wurden im ersten US-Gliedstaat erstmals Frauen- und Männerpaare registriert.»
Für sie war es im Januar 2016 so weit: in Athen gaben sie sich als erstes gleichgeschlechtliches Paar das Ja-Wort. Radio, Fernsehen, Zeitungen auch aus dem Ausland berichteten breit.
Damals habe er noch als Psychiater gearbeitet. Einem Teil seiner Klienten habe das gar nicht gefallen: «Viele meiner konservativen Patienten wiesen mich damals still zurück». Gesagt hätten sie ihm nichts, doch sie seien nicht mehr in seine Sprechstunde gekommen. «Griechenland sei eben ein sehr konservatives Land», fasst Antonis die Lage zusammen.
Umso mehr schätzen es die beiden, dass sich die Regierung Tsipras trotz heftiger Proteste konservativer Parteien und der orthodoxen Kirche dazu entschloss, gleichgeschlechtliche Partnerschaften 2015 zuzulassen.
Und nicht nur dies: «Die Regierung Tsipras hat auch ein Gesetz über die sexuelle Identität verabschiedet, das es Transgender-Menschen erlaubt, ihren Namen oder ihr Geschlecht zu ändern», sagt Antonis.
Kirche und Staat eng verflochten
Eine weitere Reform dieser Regierung betrifft das Lebensende. Gegen den erbitterten Widerstand der orthodoxen Kirche ermöglichte sie die Feuerbestattung. Die Kirche lehnt die Kremation ab, weil der Mensch aus Seele und Körper bestehe, die dereinst gemeinsam auferstehen sollen. Doch viele Griechinnen und Griechen wünschen sich, auch aus finanziellen Gründen, die weit günstigere Feuerbestattung. Nun soll in Athen ein erstes Krematorium entstehen.
Antonis legt seinen Arm um Steve und sagt: Ich habe einen Traum: «Wenn ich die Macht dazu hätte, würde ich Kirche und Staat trennen.» In genau diesem Bereich ist in den vergangenen vier Jahren einiges passiert: Unterdessen werden die orthodoxen Priester nicht mehr vom Staat, sondern direkt von der Kirche selber entlöhnt – auch wenn Kirche und Staat in anderen Bereichen weiter eng verflochten bleiben.
Und es ist nicht ausgeschlossen, dass das Rad teilweise sogar wieder zurückgedreht wird. Denn die konservative Opposition, die Nea Dimokratia, die gemäss allen Umfragen vorne liegt, hat sämtliche gesellschaftspolitischen Reformen von Syriza bekämpft.
Im Wahlkampf hat die Regierungspartei Syriza unter Ministerpräsident Alexis Tsipras versprochen, im Fall eines Wahlsiegs die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Dies würde Lesben und Schwulen in allen Bereichen gleiche Rechte bringen.
Konservative Parteien und die griechisch-orthodoxe Kirche aber wollen davon nichts wissen. Kirchliche Exponenten hatten sich in der Vergangenheit immer wieder zum Teil auch sehr abschätzig über gleichgeschlechtliche Paare geäussert.
Gemäss Umfragen liegt derzeit die konservative Partei Nea Dimokratia vorn. Sollte sie die Wahl tatsächlich gewinnen, würde die Einführung der Ehe für Schwule und Lesben kaum realisiert. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sie die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle wieder abschaffen würde.