Ein mächtiger Wirbelsturm bedroht Millionen von Menschen auf den Philippinen. Die Behörden haben die Bewohner der nördlichen Küstengebieten des Inselstaates aufgefordert, sich vor dem Taifun «Mangkhut» in Sicherheit zu bringen. Der Sturm wirbelt mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 255 Kilometern pro Stunde im Pazifik. NZZ-Korrespondent Manfred Rist schildert die Lage vor Ort – und spricht von einem Fluch, der über den Philippinen liege.
SRF News: Wie läuft das ab, wenn sich zehn Millionen Menschen in der Gefahrenzone in Sicherheit bringen sollen?
Manfred Rist: Vor allem diejenigen Menschen sind exponiert, die in Dörfern oder behelfsmässigen Unterkünften an der Küste leben. Diese Menschen sollen evakuiert werden, die Vorbereitungen sind im Gang. Als Notunterkünfte werden die Verwaltungsgebäude in den städtischen Gebieten genutzt. Diese Gebäude sind oft sehr solide gebaut.
Unterstützen die Behörden die Menschen oder sind sie mehrheitlich auf sich selbst gestellt?
In diesem Fall sind die Behörden vorgewarnt und haben präventive Massnahmen getroffen. Präsident Rodrigo Duterte hat seine Kabinettsmitglieder aus dem Norden des Landes – also dort, wo der Taifun auftreffen soll – aufgerufen, sich in das Gebiet zu begeben.
Das bedeutet zweierlei: Erstens will man politische Nebenwirkungen vermeiden. 2013, bei Taifun Yolanda, kam nämlich der Vorwurf auf, dass die Regierung zu wenig gemacht und die Leute im Stich gelassen habe. Zweitens geht man davon aus , dass es grosse Schäden geben wird.
Der Sturm wird voraussichtlich am Samstag auf Land treffen in den Philippinen. Was ist zu erwarten?
Man erwartet Sturmfluten mit bis zu sechs Metern hohen Wellen, die Küstengebiete dürften überschwemmt werden. Es wird Wirbelstürme mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde und Zerstörungen geben. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es Verletzte und vielleicht auch Tote geben.
Die starken Regenfälle werden auch zu Erdrutschen führen. Im Landesinneren befinden sich die Dörfer sehr oft an Abhängen. Dort lauert die Gefahr, dass diese Dörfer verschüttet werden. Auch derart exponierte Dörfer wurden jetzt evakuiert.
Kann man jetzt schon etwas über mögliche Langzeitschäden sagen, über Folgen für die Infrastruktur, Strassen, die Stromversorgung?
Man geht davon aus, dass die Stromversorgung ausfallen wird. Die Überlandleitungen werden vermutlich zerstört werden. Das Phänomen tritt leider immer wieder auf. Die Bevölkerung und auch die Infratstruktur werden permanent von Naturkatastrophen heimgesucht. Das Land ist exponiert und dem Pazifik zugewandt; jährlich gibt es 20-25 Wirbelstürme, die auf diesen Archipel mit vorgelagerten Inseln und einer langen Küstenlinie treffen.
Weil das Land unterentwickelt ist, treffen diese Naturkatastrophen sehr oft die Ärmsten und zerstören ihre Lebensgrundlage.
Ihre geographische Lage ist gewisssermassen der Fluch der Philippinen. Das Gebiet ist unterentwickelt und wird dadurch auch in der Entwicklung zurückgeworfen. In diesem Zusammenhang gibt es ein Paradox: Die wirtschaftlichen Schäden sind – in Dollar ausgedrückt – sehr oft begrenzt, weil das Land unterentwickelt. Aber gerade weil das Land unterentwickelt ist, treffen diese Naturkatastrophen sehr oft die Ärmsten und zerstören ihre Lebensgrundlage.
Das Gespräch führte Tereasa Delgado.